Hamburg, den 4. Februar.2022 – PRESSEMITTEILUNG – Das Hamburger Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark ist nicht nur ein koloniales, sondern auch ein nationalistisches und antidemokratisches Denkmal!!
5. Februar 2022
Zahlreiche Initiativen kritisieren den rein postkolonialen Blick von Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda auf das Bismarck-Denkmal, das intransparente Vorgehen seiner Behörde und die Nichtbeteiligung der zivilgesellschaftlichen und dekolonialen Aktivist:innen bei dem Prozess der Neukontextualisierung. Sie fordern ein offenes Beteiligungsverfahren und transparente, demokratische Entscheidungen zum weiteren Umgang mit dem Denkmal.
Nach drei englischsprachigen Online-Vortragsabenden mit dem Titel „Bismarck neu kontextualisieren“, an denen es nicht gelungen war, die eingeladenen internationalen Sachverständigen mit den städtischen Expert:innen an einen Tisch zu bringen, sagte die Hamburger Behörde für Kultur und Medien (BKM) den vierten und letzten dieser sogenannten Workshops Ende 2021 kurzfristig ab. Bei diesem sollte es, so die Ankündigung der BKM, um „die Zusammenführung der Ergebnisse und Ausarbeitung der Wettbewerbsaufgabe“ gehen. Stattdessen nutzte Kultursenator Carsten Brosda am 28. Januar 2022 den „Runden Tisch Hamburgs (post)koloniales Erbe“ als Plattform, um in einer Videobotschaft seine Vorgaben zum Umgang mit dem problematischen Denkmal zu unterbreiten – und um Neukontextualisierungen von vornherein eine Grenze zu setzen: Künstlerische Eingriffe in das Denkmal selbst sind nicht erwünscht.
„Das Verfahren für den künstlerischen Wettbewerb ist immer noch unklar“, so Ulrike Bergermann von der Initiative Bismarck’s Critical Neighbours. „Klar ist dagegen, dass noch keine Finanzierung bereitsteht. Mit der Vorgabe, das Denkmal an sich nicht zu verändern, wird zudem eine Option von vornherein und von oben ausgeschlossen.“ Bergermann weiter: „Die Gleichsetzung von Erinnerung und historischen Überresten ist falsch. Geschichte ist lebendig, sie wird gemacht. Denkmäler werden überbaut, Statuen gestürzt, Hakenkreuze entfernt – entscheidend ist die Frage, wer über die
Gestaltung des Stadtraums mitbestimmt.“ Auch ein Abriss der Bismarck-Statue und eine Dokumentation im verbleibenden Sockel sei keine „Zensur der Geschichte“, sondern eine Umgestaltung, die dem aktuellen Stand der zivilgesellschaftlichen Debatte entspricht.
Dirk Lau von der Initiative Intervention Bismarck-Denkmal Hamburg wiederum kritisiert den auf die postkoloniale Perspektive fokussierten Prozess, bei dem Diskussionen und Fragerunden auf ein Minimum beschränkt blieben. Das Denkmal im Alten Elbpark huldige aber nicht nur dem Kolonialakteur, sondern genauso dem „Reichseiniger“ und Antidemokraten Bismarck. Auch werde die Instrumentalisierung des Denkmals durch Rechtsradikale bislang von der Stadt ignoriert. Stattdessen rechtfertigt die BKM die Sanierung der nach 1939 entstandenen Wandbilder mit NS-Propaganda im Bunker des Denkmalsockels mit den Worten, es sei noch weitere Forschung nötig. Lau: „Außerdem kritisieren wir die Nichtbeteiligung der zivilgesellschaftlichen Initiativen, die diese Debatte erst angestoßen haben, sowie die fehlende Einbindung der Selbstorganisationen Schwarzer Menschen und People of Color in Hamburg und Deutschland.“
Auch Millicent Adjei von Arca – Afrikanisches Bildungszentrum findet den städtischen Umgang mit dem Denkmal schade und eine verpasste Chance, für Hamburg eine komplexe und gute Aufarbeitung vorzunehmen: „Reichskanzler Bismarck spielte europaweit eine zentrale Rolle bei der Kolonisierung Afrikas. Der steinerne Gigant ist der Dank der Hamburger Kaufleute für die satten Gewinne aus dem Kolonialgeschäft. Wir verlangen eine lokale und maßgebliche Expert:innen-Beteiligung an den Entscheidungsprozessen!“
Die Unterzeichnenden fordern bereits seit Frühjahr 2020 ein Moratorium für die Sanierung des Bismarck-Denkmals. Statt des von der Kulturbehörde praktizierten Top-Down-Verfahrens verlangen sie endlich eine echte Beteiligung durch ein neues Format: einen „Eckigen Tisch“, an dem Expert:innen, zivilgesellschaftliche Aktivist:innen und die städtischen Vertreter:innen zusammen und gleichberechtigt diskutieren – kritisch-kontrovers, inhaltlich breiter und zunächst ergebnisoffen. Arca – Afrikanisches Bildungszentrum, Hamburg
Arbeitskreis Hamburg Postkolonial
Aufstehen gegen Rassismus
Berlin Postkolonial
Bielefeld postkolonial
Bismarck’s Critical Neighbours
Decolonize Bismarck, Hamburg
Decolonize Cologne, Köln
Decolonize Erfurt Decolonize Thüringen Decolonize Weimar Decolonize Wuppertal
Göttingen Postkolonial
Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, ISD-Hamburg
Tahir Della, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, ISD-Bund Intervention Bismarck-Denkmal Hamburg
Quo Vadis?, Hamburg Stadtteilinitiative Walle Entkolonialisieren, Bremen
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Landesvereinigung Hamburg Kontakt und Pressebilder: bismarckdenkmalhh@gmail.com