Schweigemarsch anläßlich der Nazi-Morde
18. November 2011
Ich bedanke mich für die Gelegenheit, hier für meine Organisation zu reden und die Opfer des neofaschistischen Terrors, mit Ihnen betrauern und ihnen Ehre erweisen zu dürfen, an allererster Stelle denke ich an den Hamburger Süleyman Tasköprü.
Meine Organisation, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten wurde direkt nach der Befreiung vom Faschismus im Jahre 1945 gegründet von Überlebenden der Konzentrationslager und Knäste gegründet. Unermüdlich kämpfen ihre Mitglieder gegen alte und neue Faschisten, gegen den neu erstarkenden Rassismus der Neidgesellschaft. Durch Aufklärung, Zeitzeugenarbeit in den Schulen, akribische Recherche und Pressegespräche gemeinsam mit unseren Bündnispartnern aus autonomen und Migranten- und Flüchtlingsorganisationen gelangen uns immer wieder Durchbrüche, von denen die Schlapphüte der 17 Verfassungsschutzämter nur träumen können. Ich nenne nur die Antirassistischen Telefone in den 90ern, die erfolgreichen Proteste gegen die Naziaufmärsche in Hamburg und die Dresdner Blockade Seit vielen Jahren bemühen wir uns um ein NPD-Verbot; 2003 scheiterte dieses vor dem Bundesverfassungsgericht, weil die höchsten Richter kapitulieren mußten vor dem Unwesen des Verbindungsleutesystems der Verfassungsschützer.
In den Jahren 2008 bis 2010 setzte die VVN ihre gesamte personelle und finanzielle Kraft dafür ein, trotz alledem ein NPD-Verbot durchzusetzen. Jahrzehntelang wurden unsere Anstrengungen gegen den Neofaschismus gönnerhaft belächelt, uns Antifaschisten wurde Geltungssucht und Selbstaufwertung unterstellt, Das seien ein paar besoffene No-Brainer, die man durch Bekämpfung/Aktionen nur aufwerte und besser ignorieren sollte. Liebe Freunde, wir können 182 Morde seit 1990 nicht ignorieren. Wir können nicht ignorieren, dass in weiten Teilen der N euen Bundesländer und nicht wenigen Gegenden der alten Migranten und Flüchtlinge, Antifaschistinnen und Antifaschisten sich nicht frei und sorglos bewegen können. Wir können die Brutalität und den Zynismus derer, deren Vorbilder die Welt über sechs Jahre lang mit Krieg überzogen, sechs Millionen Jüdinnen und Juden, eine halbe Million Roma und Cinti, und zehn Millionen russische und polnische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ermordet hatten, in keinem einzigen Fall ignorieren oder dulden. Mit wachsender Sorge beobachten wir, wie der sogenannte alltägliche Rassismus zum Kulturgut eines ganzen Landes, ja von ganz Europa wird. Die Herabwürdigung von Migranten und Flüchtlingen zu papierplatten, wandelnden Klischees, zu Schubladenbewohnern sind Relikte einer ideologisch und biologistisch mit der heißen Nadel gestrickten Rassentheorie und von dort immer wieder über die Boulevardpresse in die Köpfe der Menschen gepreßt worden. Da darf es nicht wundern, dass sämtliche Ermittler-Teams unisono 10 Jahre lang die Täter für die Morde an Migranten unter Migranten suchten. Nazi-Mörder und Ermittler messen mit demselben Maß Wer jemals zu irgend einem Zeitpunkt seines Lebens ungerecht und grundlos beschuldigt wurde, kann nachfühlen, wie schlimm das für Angehörigen und Freunde der Opfer war. Dass neuerdings Spitzenpolitiker aller Parteien öffentlich ihre Scham bekunden, entschädigt sie kaum.
Wir alle müssen gemeinsam eintreten für das NPD-Verbot. Das Hindernis, dass V-Leute nötig und sie abzuschalten nicht ratsam ist, greift hier nicht. Wenn, wie letzte Woche im WDR kolportiert wurde, der erste Vorsitzende der NPD Nordrhein-Westfalen, V-Mann des Bundesamtes, sein Stellvertreter V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz ist, dann ist die Unkontrollierbarkeit durch Führungsoffiziere der Behörde zwangsläufig das V-Leute-System dient nur als Einkommensquelle für die Parteien, gegen die es angeblich gerichtet ist. Während ich heute diese Rede schrieb, war am unteren Rand meines stumm geschalteten Fernsehers immer wieder folgender Satz zu sehen: Rechter Terror: BKA-Chef weist Vorwurf des Totalversagens zurück. Da können wir ihm nicht folgen. Ein NPD-Verbot ist unabdingbar. 182 Mordopfer der letzten 20 Jahre sagen deutlicher als wir je könnten: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.