Hans Frankenthal-Preisverleihung 2011
19. Oktober 2011
Wir dokumentieren hier die Laudatio für die Fangruppe Ultra St. Pauli
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
Liebe Preisträger des diesjährigen „Hans-Frankenthal-Preises!
In Kürze bin ich 83 Jahre alt, ausgerechnet mich hat man gebeten, die Laudatio für die Fangruppe Ultra St. Pauli zu halten. Diese Gruppe ehren wir heute mit dem „Hans-Frankenthal-Preis“ für ihre Initiative, einen Zusammenschluss von Fangruppen mehrerer Fußballvereine zu gründen.
Bei Fußball denke ich an Lärm, an Menschen deren Sprechchöre meist nicht zu verstehen sind. Ich sehe alkoholisierte und grölende Männerhorden vor mir, Männer die Bier trinken, Fäuste recken und heftig diskutieren.
Vor zwei oder drei Jahren war es, da zeigte sich mir ein völlig anderes Bild, als ich die Einladung zu einem Antifaschistischen Fußballturnier erhielt, eine Einladung von der Gruppe Ultra St. Pauli, die mir bis dahin unbekannt war. Auf dem Sportplatz in Schnelsen tummelten sich junge Menschen.
Jungen und Mädchen, Teenager im Alter von zehn bis zwanzig Jahren spielten auf mehreren Feldern Fußball. Es herrschte eine fröhliche, entspannte und solidarische Stimmung, die sich in vielen Sprachen äußerte. Überall hingen Transparente, auf denen in verschiedenen Sprachen Inschriften mit Antifaschisten, Antirassistischen Inhalten zu lesen waren. Es war das Gegenteil von dem, was uns die Fernsehbilder oft von Spielen der Bundesliga zeigen.
Seit Jahren war in den Fußballstadien eine Veränderung zu spüren, was dazu führte, dass Spieler mit dunkler Hautfarbe beschimpft und beleidigt wurden. Spieler, die aus irgendeinem Grund unbeliebt waren wurden als „Schwule, als Juden „ angepöbelt. Neofaschistische Gruppen versuchten, in Fangruppen ihre menschenverachtenden, rassistischen Ideen zu verbreiten.
Diesen Tendenzen, aber auch der Gewaltbereitschaft der Neonazis, gegen Migrant /innen, Homosexuelle, gegen Antifa- oder andere Fangruppen musste unbedingt Widerstand entgegen gesetzt werden.
Soweit es mir bekannt ist, waren es die St. Pauli Fans und ihre Freunde, die damit den Anfang machten, sie stellten Aufkleber und Buttons mit antifaschistischen Sprüchen her, die sie verkauften oder weitergaben und lenkten damit die Aufmerksamkeit auf das üble Treiben der Rechten.
Überall in der Stadt sah man plötzlich Aufkleber, die besagten: „Wir Fußballfans sind gegen Nazis.“
Der Gruppe Ultra St. Pauli ist es gelungen in wenigen Jahren Fangruppen aus vielen europäischen Ländern zusammen zu führen, deren Anspruch über den Spaß am Fußballspiel weit hinausgeht. Die Mitglieder dieser Fangruppen stehen in Gegnerschaft zu denen, die versuchen, mit rassistischen, menschenverachtenden Parolen, andere Menschen zu gewinnen und zu überzeugen. Darüber hinaus ist Ultra St. Pauli bemüht, die Mitglieder der Fangruppen in ihrer antifaschistischen Haltung durch politische und historische Bildungsarbeit zu stärken und zu unterstützen.
Die Idee der Antifaschistischen Turniere finde ich großartig! Hier steht die Begegnung der Menschen und deren Freundschaft im Vordergrund .
Hier wird Kindern und Jugendlichen ein Raum gegeben, in dem sie erleben, wie Fußball ohne Gewalt gegen andere Fans, ohne Stimmungsmache gegen Linke, gegen Migrant/innen, Homosexuelle und Andersdenkende Spaß machen kann. Und sogar sehr viel Spaß!!!
Im Jahre 2007 wurde im Rahmen des Antirassistischem Fußballturniers das Alerta-Netzwerk gegründet, ein Zusammenschluss dem mittlerweile fünfzehn Fangruppen aus Europa und aus Israel angehören. Das Netzwerk hält den Kontakt zwischen den Gruppen und ihnen die Möglichkeit zu gemeinsamen Aktionen.
Das Netzwerk wichtig geworden, weil politisch engagierte junge Menschen die Notwendigkeit gesehen haben, der Stimmungsmache gegen Linke, gegen Migrant/innen, Homosexuelle und Andersdenkende entschieden entgegen zu treten.
Damit haben diese jungen Menschen die Aufgabe übernommen, die von Politik und zuständigen Behörden nicht oder nur unzureichend wahrgenommen wird, nämlich den neofaschistischen Tendenzen eine energische Abfuhr zu erteilen.
Ultra St. Pauli ist maßgeblich an dem Aufbau und an der Organisation des Alerta-Netzwerks beteiligt, des Weiteren plant Ultra St. Pauli eine Homepage des Alerta-Netzwerks zu erstellen, um neben anderen Möglichkeiten, für neue Interessierte einen Zugang zu den anderen Mitgliedergruppen zu schaffen.
Zitat aus der Beurteilung zur Gruppe Ultra St. Pauli: zur Begründung des Stiftungsrates der Preisvergabe an USP folgendes Zitat:
Seit fast zehn Jahren engagieren sich Ultra St. Pauli, aber auch andere Gruppen des Netzwerks in ihren Stadien antifaschistisch und antirassistisch. Das Netzwerk selber hat mit fast fünfjähriger Arbeit Kontinuität bewiesen. Gerade in Umfeld von Fußballspielen sind viele, vor allem jüngere Menschen anzutreffen, die durch herkömmliche antifaschistische Öffentlichkeitsarbeit nicht erreicht werden. Mit der Vergabe des Hans-Frankenthal-Preises an Ultra St. Pauli für ihre Arbeit im Alerta-Netzwerk wird eine Gruppe unterstützt von der zu erwarten ist, dass auch in Zukunft Antifaschismus, Antirassismus und Antisexismus einen festen Platz im Fußballstadion haben.
Wir freuen uns, dass wir euch den Hans-Frankenthal-Preis 2011 überreichen können!