Lesben und Widerstand: Die Suche nach lesbischen Lebensläufen

14. Januar 2010

Wenn eine bestimmte Art zu leben tabuisiert und marginalisiert wird, kann dies unmittelbare Auswirkungen haben. Zum Beispiel auf diejenigen, die lesbisch leben. Auch heutzutage kann es Leuten, die als homosexuell wahrgenommen werden, passieren, dass sie auf offener Straße in Gefahr geraten, etwa in Deutschland oder in Italien. Dies ruft in Erinnerung, wie wichtig es ist, sich die historischen Dimensionen von Unterdrückung zu vergegenwärtigen und Möglichkeiten von Gegenwehr zu entwickeln und anzuwenden.

Seit Mitte der 1980er Jahre hat insbesondere die linksliberale Historikerin Claudia Schoppmann in zahlreichen Büchern Wissen zusammengetragen, zum Teil nacherzählte Portraits auf der Grundlage von Strafakten, Gerichtsprotokollen, Zeugenaussagen und literarischen Quellen. Schon die Titel ihrer Bücher sind bedeutsam: Nationalsozialistische Sexualpolitik und weibliche Homosexualität (1991/1997), Der Skorpion. Frauenliebe in der Weimarer Republik (1985/1991), Im Fluchtgepäck die Sprache – Deutschsprachige Schriftstellerinnen im Exil (1991/1995), Zeit der Maskierung – Lebensgeschichten lesbischer Frauen im „Dritten Reich“ (1993/1998), Nach der Shoa geboren. Jüdische Frauen in Deutschland (Co-Hrsg./Autorin 2001), Verbotene Verhältnisse (1999), Der homosexuellen NS-Opfer gedenken (Co-Hrsg. 1999), „Ich fürchte die Menschen mehr als die Bomben.“ Aus den Tagebüchern von drei Berliner Frauen 1938-1946 (Co-Hrsg. 1996), 1930-1950 Zeitzeugen aus Demokratie und Diktatur. Leben zwischen Anpassung und Widerstand (Co-Hrsg./Autorin 2002), Überleben im Untergrund (Co-Autorin 2002), Gedenkstätte Stille Helden (Co-Autorin 2008). Diese Arbeiten gelten als allgemein grundlegend; sie sind voll von Anregungen zu historischen lesbischen Lebensläufen und dem Umgang mit weiblichen Homosexuellen in der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Weitere bisher bekannte Fakten und Biografien von Lesben finden sich bei www.lesbengeschichte.de

Aus linken und antifaschistischen Zusammenhängen könnte noch viel mehr in Erfahrung gebracht werden. Und mit jedem neuen Jahrzehnt stellen Menschen anderer Altersgruppen Fragen an die eigene Geschichte. Unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen entstehen vermutlich auch neue Fragen, denen es sich lohnt, nachzugehen. Etwa diese: Welche lesbischen Lebensläufe aus dem Widerstand sind bisher nicht bekannt geworden? Wie tabuisiert waren Frauenfreundschaften und lesbische Liebe? Wie konnten lesbische Frauen wirtschaftlich überleben, wenn sie nicht verheiratet waren? Diese Frage ist auch interessant für die 1950er und 1960er Jahre. Welche Rolle für die Chancen auf ein Überleben spielte die gesellschaftliche Tabuisierung lesbischer Liebe? Mit wessen Solidarität konnten Lesben rechnen? Welche Bedeutung kommt dem Internationalismus zu, damals wie heute?

Hierzu bietet eine große Veranstaltung nächstes Jahr Ende Mai Gelegenheit, gemeinsam zu lernen und sich zu verständigen: das Lesbenfrühlingstreffen 2010. Jährlich an wechselnden Orten stattfindend, gibt es diese bundesweite Veranstaltung seit über 30 Jahren, mit 1.000-5.000 Teilnehmerinnen. 2010 findet das Treffen in Hamburg statt (21.-24. Mai), die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, selbstorganisiert ohne Bezahlung.

Die konkreten Absprachen mit Referentinnen stehen im Januar auf dem Plan. Es werden vor allem Referentinnen gesucht, die sich geschichtlich gut auskennen. Den Teilnehmerinnen soll Gelegenheit gegeben werden, ihr Leben als Lesben heute mit lesbischem Engagement u.a. im Widerstand gegen das Naziregime in Verbindung zu bringen. ‚Widerstand und Überleben’ lautet einer der fünf Themenschwerpunkte und das Organisationsteam würde sich sehr freuen, eine VVN-Referentin gewinnen zu können, die den Teilnehmerinnen zwischen 17 und 77 aus dem Schatz an Kenntnissen unter VVN-Mitgliedern etwas vortragen würde. Es wäre eine wichtige Bereicherung für ein umfassendes Verständnis sozialer, gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse historisch wie aktuell.

Claudia Koltzenburg lebt in Hamburg und engagiert sich in der Öffentlichkeits-AG für das Lesbenfrühlingstreffens 2010, das ehrenamtlich organisiert wird. Weitere Infos: http://www.lesbenfruehling.de/hamburg2010