Zum 90. Todestag von Fiete Schulze
3. Juni 2025

Das Foto stammt aus persönlichem Besitz
Am 6.6. 1935 wurde Fiete Schulze im Hof des damaligen Untersuchungsgefängnisses mit dem Handbeil enthauptet.
Staatsanwalt Stegemann in seinem Plädoyer für die Todesstrafe:
„Seine Zunge ist gefährlicher als Kugeln“.
Der später nur „Fiete“ genannte Schlosser Friedrich Schulze wuchs in einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie in Schiffbek (heute Billstedt) auf, arbeitete nach der Lehre als Nieter auf der Werft „Blohm und Voß“, trat früh der Gewerkschaft bei und ab 1913 der SPD. Fiete gehörte dem Arbeitersportverein „Frei Heil“ an. Kurz nachdem Johanna Schröder und Fiete Schulze heirateten und ihre Tochter Wilmageboren wurde, musste er ab 1915 am Ersten Weltkrieg teilnehmen und wurde 1917 schwer verwundet. Seine beiden Brüder überlebten den Krieg nicht. 1918 kehrte er nach Hamburg zurück.
Seine eigenen Erfahrungen der schweren Arbeits-und Lebensbedingungen, seineKriegserfahrungen, der Tod seiner Brüder, die Novemberrevolution und das Selbststudium politischer Schriften machten ihn zu einem engagierten politisch handelnden und kämpfenden Menschen.
Über die USPD kam Fiete zur KPD, beteiligte sich an der Niederschlagung des Kapp-Putsches und wurde in den folgenden Inflations- und Hungerjahren für viele Menschen zum Berater und Vertrauensmann. Als Vize (Vorarbeiter) auf der VeddelerReismühle beschlagnahmte er zum Beispiel gemeinsam mit Kollegen eine Schute mit Reis, um den Erwerbslosen von Schiffbek zu helfen. Als sie festgenommen wurden, nahm er die Schuld auf sich, um die anderen zu schützen.
Als sich Mitte Oktober 1923 die politische Lage in Deutschland zuspitzte, weil die Stresemann-Regierung mit Hilfe der Reichswehr versuchte, die Arbeiterregierungen in Sachsen und Thüringen zu Fall zu bringen, organisierte er mit umfassenden Maßnahmen in Schiffbek einen bewaffneten „Hamburger Aufstand“ am 23. Oktober1923 mit, der als Signal für das ganze Land gedacht war. Zwei Tage später war der Aufstand niedergeschlagen und die meisten Aktivisten verhaftet. Fiete Schulze konnte fliehen und fuhr als Matrose auf dem Großsegler „Flora“ der Südamerika-Linie nach Chile, wo er als Hafenarbeiter und im Bergbau Beschäftigung fand. 1925 zurück, lebte er kurze Zeit mit seiner Familie zusammen illegal in Hamburg. Nach einem Studium der Gesellschaftswissenschaften in der Sowjetunion blieb er als Dozent dort.
Ab Juli 1932 wieder illegal in Hamburg, wo Provokationen und Schlägereien zwischen NSDAP und KPD an der Tagesordnung waren, trat er als Redner auf und organisierte eine Selbstschutzstaffel mit, die er dazu anhielt, sich nicht auf Schlägereien mit Angehörigen der SA einzulassen. Er lehnte individuellen Terror und „Knüppelpolitik“ ab: „Meint ihr, das wäre schon ein Klassenfeind, weil er die SA-Jacke angezogen hat? Nein, Genossen, … er weiß nur nichts von dieser Welt. Man hat ihn auf einen falschen Weg gelockt. Ihr aber wisst Bescheid. Bringt ihn auf den richtigen! Das ist Heldentum. Schießen ist keins.“
Denunziert und am 16. April 1933 festgenommen, wurde er im Stadthaus mitbrutalsten Folterungen verhört und von dort direkt ins Untersuchungsgefängnis Holstenglacis gebracht. In Einzelhaft
isoliert, durfte Fiete über sechs Monate keinen Besuch. Nur zensierte Briefe waren ihm erlaubt. So erfuhr Wilma erst viel später von der Folter und dem Versuch, ihn zu bestechen.
Ab dem 13. Februar 1935 fand vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht derfünfwöchige Prozess wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ und „Landfriedensbruch“s gegen Fiete Schulze statt. Wilma und ca. 80 bis 90 andere Beobachter waren ständig dabei. Die Öffentlichkeit wurde häufig ausgeschlossen, da Fiete Schulze sich nicht einschüchtern ließ und unbeirrt seine Meinung sagte. Draußen waren einmal alle Straßenschilder beim Oberlandesgericht mit „Fiete-Schulze-Platz“ überklebt. Internationale Proteste, Kundgebungen in Paris, Amsterdam und in anderen Orten hatten keinen Einfluss auf das Urteil. Das Todesurteil stand schon vorher fest.
Am 18. März 1935 wurde Fiete Schulze dreimal zum Tode und zu 260 Jahren Zuchthaus verurteilt. Der Staatsanwalt Stegemann sagte in seinem Plädoyer: „Es gibt kein objektives Recht. Strafrecht ist heute Kampfrecht!“, und schloss mit den Sätzen: „Es wäre eine schreiende Ungerechtigkeit, wenn dieser Mann mit dem Leben davonkäme. Seine Zunge ist gefährlicher als Kugeln.“
Ohne die Möglichkeit zu haben, sich von seiner Familie zu verabschieden, wurde Fiete Schulze am 6. Juni 1935 um 6.00 Uhr im Hof des Untersuchungsgefängnisses in Hamburg mit dem Handbeil1 hingerichtet.
Erst im Februar 1981(!) hob die Staatsanwaltschaft beim Hanseatischen Oberlandesgericht das Todesurteil gegen Fiete Schulze auf – ein Erfolg des jahrelangen Kampfes seiner Tochter und vieler Unterstützer um Gerechtigkeit.
Dieser Text ist eine (durch H.v.B.) gekürzte, gekürzte und leicht veränderte Fassung des Textes von Chr. Chodinski anlässlich der Stolpersteinlegung für Fiete Schulze. Text und Quellenangaben auf www.stolpersteine-hamburg.de Das Foto stammt aus persönlichem Besitz.
Bundespräsident Heinemann zitierte 1969 anlässlich einer Gedenkrede aus Fiete Schulzes Brief an seine Schwester. (siehe Frankfurter Rundschau v. 21.7.1969)
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Hamburg
- Damit gehörte er zu den wenigen Hamburger Widerstandskämpfern, die hier mit einem Handbeil ermordet wurden, weil Karl Kaufmann, Reichsstatthalter von Hamburg, der Meinung war, dass die Guillotine als Erbstück der Französischen Revolution unpassend sei und im Januar 1934 ein eigens dafür geschaffenes Gesetz erließ. Der Hamburger NSDAP-Senator Rothenberger erklärte dem Senat, dass das Handbeil bei der Vollziehung der Todesstrafe dem „deutschen Rechtsempfinden“ entspräche. (siehe: Hinrichtungen in Hamburg und Altona 1933-1945, hrsg von Andreas Seeger und Fritz Treichel) ↩︎