Hamburg, 2. Juni 2012 – die Zukunft ist antifaschistisch

geschrieben von Traute Springer-Yakar

1. Juni 2012

Die Menschen dieser Stadt setzen deutliche Zeichen gegen den rassistischen Brauen Mob aus NPD und ihre Gesinnungsgenossen. Mit seinen zahlreichen friedlichen Aktionen, an den sich zahlreiche Freundinnen und Freunde der VVN-BdA beteiligten, hat das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR) dem Nazisaufmarsch erfolgreich Widerstand entgegengestellt.Im Rahmen der Vormittagsdemonstration des HBgR veranstaltet die VVN-BdA gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme eine Lesung vor dem Stadthaus, dem ehemaligen Gestapo Hauptquartier. Dort erinnert wir an die Leiden der Widerstandskämpfer, die an diesem Ort von den Schergen der Gestapo gefoltert und ermordet wurden.Vor diesem Ort des Schreckens stoppte auch der Demonstrationszug für eine Zwischenkundgebung. Dort hielt unsere Kameradin Traute eine Rede, mit der sie die Verbindungslinie zwischen dem Terror der Nazis von 1933 bis 45 ihren Nachgeboren Rassisten zog.“

Liebe Freundinnen und Freunde,

vor uns liegt das Stadthaus, seit seinem Bau Anfang des 19. Jahrhunderts Sitz der Polizeiverwaltung, während der NS-Zeit berüchtigt als Sitz der Gestapo-Leitstelle, einer Zentrale des Terrors und der Gewalt, hier wurden der Terror gegen Hamburger Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti wie am Reißbrett geplant, hie wurden politische Gegner festgehalten, verhört, gefoltert, ermordet oder in den Tod getrieben. Allein drei der Gestapo-Opfer, denen die Stolpersteine dort drüben gewidmet sind, wurden entweder von Schergen aus dem Fenster gestürzt oder sprangen aus Angst vor weiteren Verhören selber hinaus. von hier wurden die berüchtigten Hamburger Polizeibataillone zum Foltern und Morden nach Polen und in die Sowjetunion geschickt , hier war auch der Sitz von Sonderabteilungen zur Überwachung und Unterdrückung der 400.000 nach Hamburg verschleppten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.

Dabei müssen wir im Kopf haben, dass die Mehrzahl der 5500 Hamburger Polizisten in den Zwanziger Jahren von vorn herein reaktionär und republikfeindlich eingestellt waren, unter ihnen waren außerdem über 2000 ehemalige Angehörige des Freikorps, derselben Truppe, die in den Anfangsjahren der Weimarer Republik unzählige Morde an Kommunisten und Anarchisten verübt hatte. Auch die ca. 200 Führungsoffiziere der Polizei waren – abgesehen von der wegen der Mehrheitsverhältnisse im Senat sozialdemokratischen Führungsspitze überwiegend rechtsradikal und antidemokratisch und begrüßten die Machtübertragung an die Nationalsozialisten. Gleich nach der Machtübertragung wurde die am 06. März 1933 wurden alle Sozialdemokraten und Parteilose gegen als besonders brutal bekannte Nazi-Parteigänger ausgetauscht, die natürlich auf der Stelle damit begannen, sich – jetzt qua Amt – an ihren langjährigen politischen Gegnern zu rächen.

Dazu gehörte Bernhard Bästlein, ehemaliger kommunistischer Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft, in der Folge, sieben Jahre in Zuchthaus und KZ war einer der führenden Köpfe der größten Hamburger Widerstandsgruppe des Arbeiterwiderstands während des Krieges, der Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe und wurde 1944 hingerichtet. Wie man selbst nach Folter und Haft ungebrochen, scharfsichtig und sogar ironisch seinen Gegnern entgegentreten kann, beweist Bernhard Bästleins Erklärung vor der Gestapo am Hamburg, den 30. November 1942, aus der ich jetzt einige Auszüge verlese:

Als Richtschnur für diese meine Ausführungen nannte mir mein Sachbearbeiter ein Wort des Reichsführers-SS Himmler, dass man mannhaft für seine Tat einstehen solle,auch wenn die Strafe hart sein wird… Ich betrachte mich als Täter aus weltanschaulicher Überzeugung, und bin deshalb gewillt, für meine Tat mannhaft einzustehen. Dabei handelt es sich bei mir nicht um eine Tat, auch nicht um eine Tat, sondern um eine auf verschiedene Ursachen begründete fortgesetzte Handlung, die mit einer gewissen Eigengesetzlichkeit sich fortlaufend entwickelte. Die Grundlage meiner Einstellung ist meine sozialistische Erziehung im Elternhaus und in der proletarischen Jugendbewegung. Meine illegale Arbeit während des letzten Jahres wurde vorwiegend von zwei Faktoren bestimmt, die meiner Bereitschaft, gegen die bestehenden Gesetze zu handeln, den entscheidenden Anstoß gaben. Der erste Faktor war meine siebenjährige Haft von 1933 bis 1940 – davon vier Jahre in Konzentrationslagern – während der ich entsetzliche Dinge erlebt, gesehen und gehört habe. Diese Zeit hat mir jede Möglichkeit des Zweifelns in Bezug auf meine weltanschauliche Grundeinstellung genommen, denn meine Überzeugung, dass eine Gesellschaftsordnung, in der solche Dinge möglich sind, wie ich sie erlebte, beseitigt werden muss, wurde dadurch grundfest gemacht, soweit das bisher noch nicht der Fall war.

Der zweite Faktor war der seit 1939 begonnene Zweite Weltkrieg, Da für mich der Ausgang dieses Krieges unzweifelhaft feststeht, kam es darauf an, den die Niederlage Deutschlands besiegelnden Frieden so schnell als möglich herbeizuführen. Diese beiden Faktoren – meine siebenjährige Haft und der Krieg – waren die Triebfedern, die mich zur illegalen Arbeit anregten. Ich bin dazu weder von jemandem >verführt< worden noch bedurfte es dazu einer besonderen Anregung, abgesehen von der Zuspitzung der weltpolitischen Situation.

Ich werde keine Gelegenheit haben, die entsetzlichen Erlebnisse meiner siebenjährigen Haft, die einen entscheidenden Einfluss auf meinen Willen zur illegalen Arbeit hatte, im einzelnen darzulegen, ich werde trotzdem für meine Tätigkeit bestraft werden. Das Recht, eine harte Strafe über mich zu verhängen, ergibt sich aus den zur Zeit in Kraft befindlichen Gesetzen, die ich, da ich bewusst gegen sie verstoßen habe, nicht anerkenne. Indem ich jedoch für meine Tat einstehe, erwarte ich, dass auch nur die gesetzliche Härte einer Strafe gegen mich in Anwendung kommt, und keine Auffrischung jener Methoden, die ich im KZ sah, mich treffen wird. Sollte das dennoch der Fall sein, werde ich bemüht sein, sie ebenso mannhaft zu ertragen, wie ich für meine Tat einstehe, Zitat Ende

An dieser Stelle grüße ich unsere noch lebenden Widerstandskämpfer und Verfolgten, aber ich grüße auch ihre Familien, die durch die Verbrechen in Mordzentralen wie dieser unsäglich leiden mussten.

Nach der Befreiung vom Faschismus wurde von der britischen Militärverwaltung und dem neuen, demokratischen Senat die Entnazifizierung der Polizei betrieben, einschneidende Reformen wurden in die Wege geleitet. Jedoch wurden bereits Anfang der 50er Jahre auf der Basis des Art. 131 GG fast alle aufgrund ihrer Nazivergangenheit entlassenen Polizeibeamten wieder eingestellt, wenn sie nicht wegen Gewaltverbrechen verurteilt worden waren. Die Entnazifizierung der Hamburger Polizei wird in der Fachliteratur nicht selten als gescheitert qualifiziert. Ich werde den Verdacht nicht los, dass es auch heute noch Lehrbücher an den Fachhochschulen der Polizei gibt, die aufgrund einer vor 60 Jahren gescheiterten Entnazifizierung immer noch den selben Ermittlungsschablonen folgen, die zu solchen Desastern wie dem 13jährigen „Übersehen“ einer Mörderbande führen können.

Beim Schreiben dieser Rede habe ich zahlreiche Beschreibungen der Methoden dieses Stadthauses gelesen, mit wachsender Wut auf die Leute, die Folterer und ihre Auftraggeber immer noch als ihre Vorbilder betrachten. Das sind die, gegen die wir heute demonstrieren. Mit 182 Morden an Migranten, Flüchtlingen und politischen Gegnern haben sie bewiesen, dass sie nach wie vor und uneingeschränkt der Ideologie anhängen, die in dem Haus da drüben so viele Opfer forderte.

Wir sollten also unser Möglichstes tun, die Demonstration dieser Schüler von Folterern und Mördern förmlich den Boden unter den Füßen weg zu ziehen. Wir werden sie in Hamburg nicht dulden und werden jedes Mal wenn sie es wieder versuchen mit derselben Entschlossenheit, aber immer besserer Praxis den Weg in unsere Stadt versperren. Wir fordern ein uneingeschränktes Verbot der NPD, aller faschistischen Parteien sowie aller Freien Kameradschaften. Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen.