Internationaler Gedenktag für die Opfer von Faschismus und Krieg

geschrieben von Georg Chodinski

10. September 2011

Am Sontag, dem 11. September 2011, trafen sich bei strahlenden Sonnenschein Kameradinnen und Kameraden im Ehrenhain der Hamburger Widerstandskämpfer 1933-1945 auf dem Ohlsdorfer Friedhof zu einer Gedenkveranstaltung. Im folgenden dokumentieren wir den Redebeitrag von Georg Chodinski, Landessprecher der VVN-BdA

Viele kamen an diesem zweiten Sonntag im September, doch einer fehlte in unserer Runde: Der Redner. Die Plastik, geschaffen von Richard Steffen, gibt 1968 dem damals neu gestalteten Ehrenhain ein Sinnbild, das uns im März dieses Jahres gestohlen wurde. Doch dank Anne Harden ist uns das Bild gegenwärtig geblieben. Sie fertigte eine kunstvolle Zeichnung an, die als Platzhalter am heutigen Gedenktag die verwaiste Stehle schmückt.

Der Redner verkörpert für die Widerstandskämpfer wichtige Werte. Er steht für Innere Festigkeit, Lauterkeit des Anliegens und die Übermittlung einer Botschaft;„Überzeugungsarbeit sei für den deutschen Widerstand charakteristisch gewesen“, hält Ursel Hochmuth in ihrer von uns geschätzten Dokumentation „Niemand und nichts wird vergessen“ fest. Das sind Werte, in deren Tradition die VVN-BdA auch heute steht.

„Einer Tradition treu zu sein, bedeutet, der Flamme treu zu sein und nicht der Asche“. Diese Worte hat uns der Kriegsgegner Jean Jaurès hinterlassen. Der Gedenktag am zweiten Sonntag im September hat eine lange Tradition. Gleich am 9. September 1945 fand in Berlin eine große Demonstration und Versammlung statt, mit der die Überlebenden voller Trauer und Wut dem Tod und Leid ihrer Angehöriger, Freund und Mitkämpfer erstmalig gedachten.

Und heute 66 Jahre nach dem Ende des Naziregimes? Der Schwur von Buchenwald ist nach wie vor nicht erfüllt. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln, wir sind weit entfernt davon. Deshalb lautet unser Auftrag nach wie vor „die Flamme am Brennen halten“.

Wozu mahnen uns die im Ehrenhain begrabenen Opfer? Stellvertretend dafür soll hier Fiete Schulze zu Wort kommen. Er schreibt am 12. Mai 1935 den Tod vor Augen an sein „Schwesterlein“: „Dank für Deine Zeilen. Warum aber so kleinmütig? Du haderst mit den Verhältnissen, die Dir den Bruder nehmen. Warum willst Du nicht verstehen, dass ich dafür sterbe, dass viele nicht mehr einen frühen und gewaltsamen Tod zu sterben brauchen? Noch ist es nicht so, doch hilft mein Leben und Sterben es bessern. Es kann und darf nicht Eure Aufgabe sein, mein Sterben zu bejammern, denn nur dann – wenn Ihr es bejammert – ist es nutzlos und verfehlt. Voll erfüllt es seinen Zweck, wenn Ihr es ganz verstehen lernt. Darin kann sich all Eure Liebe und Achtung zu mir zeigen: im Verstehen und Bemühen, gleich mir zu denken und zu handeln.“

Was können uns heute am 11. September 2011 die Worte von Fiete Schulze bedeuten? Der 11. September mahnt uns in vielerlei Hinsicht.

Sicherlich sehen wir da die Toten von New York, aber noch mehr die Opfer, die Folter und Mord in den Kriegen gegen die Menschen im Irak und Afghanistan brachte.

Der 11. September ist aber auch der Tag, an dem das Militär in Chile putschte und der Todestag Salvador Allendes. An diesem Tag wurden eine Demokratie und die Freiheit der Menschen vernichtet. Stattdessen zog Angst, Folter und Mord ein.

Und wie steht‘s im inneren unserer Republik? Die NPD ist nach wie vor nicht verboten und wurde am 4. September in Mecklenburg-Vorpommer erneut in den Landtag und in die Kreistage gewählt. In manchem Orte mit mehr als 30 % der abgegebenen Stimmen.

Es sprießen neue nationalistische Parteien wie Pilze aus dem Boden, deren Meinungsbild nett mit Rechtspopulismus umschrieben wird, sei es Pro Deutschland, Die Freiheit oder Pro Köln.

Die demokratischen Freiheitsrechte werden in dieser Republik immer mehr beschränkt. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Flüchtlinge werden außer Landes transportiert, egal was sie in der Zielregion erwartet.

Kurz: Die Biedermänner haben weiterhin Saison und es werden wieder oder immer noch sehr freiwillig Streichhölzer ausgeteilt.

Und doch, da regt sich auch anderes. Kurz vor der Wahl Mecklenburg-Vorpommern ließ z. B. Hotelier Plakate gegen NPD drucken „Wählt keine Nazis“.

Demonstrationen und Aktionen gegen Naziaufmärsche, wie in Dresden oder Wunsiedel werden erfolgreicher. Es wird oft verhindert, dass öffentliche Räume der NPD oder anderen rechtspopulistischer zur Verfügung stehen. Und trotz des Wahlergebnisses in Mecklenburg Vorpommern, in vielen anderen Wahlen dieses Jahres blieb die NPD erfolglos.

Und vielleicht macht es uns ja Mut. Die Parteien des Berliner Abgeordnetenhauses haben im Juni 2011 einen „Berliner Konsens“ vereinbart. Sie erklärten: „Im Wahlkampf werden wir gemeinsam Rassismus, Populismus und Rechtsextremismus die Rote Karte zeigen und gegen die diskriminierenden Positionen rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien Stellung beziehen.“

Ob Fiete Schulzes das gefallen hätte, weiß ich nicht, aber gereicht hätte es Ihm wohl nicht.

Was fehlt, ist mehr konkretes Handeln. Dazu gehört natürlich ein Verbot der NPD. Auch hätte es der am „Berliner Konsens“ beteiligten SPD gut zu Gesicht gestanden, sich zu trauen, einen Sarazin aus der Partei auszuschließen oder seine Spende in Höhe von 5.000,00 € zurückzugeben.

Doch damit ist es nicht getan, vor allem nicht so einfach. Die Bürgermeisterin aus dem Ort Koblentz in Mecklenburg Vorpommern, in dem die Rechtsextremen über 30 % Stimmenanteil erhielten, sieht viele andere Ursachen: Zu wenige ausreichende oder gar gerechte Einkommen; keine an den Bedürfnissen der Menschen hinreichend ausgerichtet Infrastruktur, wenig Kulturangebote und, und..

Vor allem, die Politiker des Landes bleiben unsichtbar, kümmern sich nicht persönlich spürbar. Die Menschen werden allein gelassen mit ihren Problemen und damit den „netten brauen“ Nachbarn überlassen.

Wilma Giffey berichtet über Fiete Schulze, ihren Vater: „Seine Parole war: Nicht schlagen, überzeugen! Meint Ihr, das wäre schon ein Klassenfeind, weil er die SA-Jacke angezogen hat? Nein Genossen, in diesem Jungen kann ein prachtvoller, ehrlicher Revolutionär stecken. Er weiß nur nichts von der Welt. Man hat ihn auf einen falschen Weg gelockt. Ihr wisst Bescheid! Bringt ihn auf den richtigen! Das ist Heldentum! Schießen ist keins.“ Also halten wir die Flamme am Brennen, so wie es an der Mauer des Ehrenhains von Julius Fucik geschrieben steht:

„Menschen, ich hatte Euch lieb. Seid Wachsam!“