Bundesverdienstkreuz für Esther Bejarano

geschrieben von hjm

29. April 2012

Am 26. April erhielt Esther Bejarano, Ehrenvorsitzende der VVN-BdA, in Hamburg das Große Bundesverdienstkreuz aus den Händen des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz.

Esther Bejarano, geboren 1924 in Saarlouis, kam ins KZ Auschwitz und musste dort im „Mädchenorchester“ für die Neuankömmlinge singen, von denen viele gleich danach in den Gaskammern ermordet wurden. Sie hat Auschwitz und Ravensbrück überlebt und wohnt seit 52 Jahren in Hamburg. Olaf Scholz zitierte aus der Ordensbegründung: „Im Sinne einer wahren Lebensleistung hat sie sich – als Künstlerin und als Friedensaktivistin – unermüdlich der Warnung vor Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung gewidmet.“ Vor dem Hintergrund der rechtsradikalen Mordtaten der Zwickauer Terrorzelle könne ihr Engagement gar nicht hoch genug gewürdigt werden. Esther Bejarano verband ihren Dank mit den Aufruf, gerade in Deutschland dürfe es keine Nazis mehr geben. Sie erinnerte an den Schwur von Buchenwald, in dem es heißt: „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“. Sie sagte: „Hamburg muss nazifrei sein. Dafür setzen wir uns ein und hoffen auf die Hilfe des Senats gegen den Naziaufmarsch am 2. Juni.“

Antifaschistische Demonstration:

geschrieben von Carola Kieras

20. April 2012

Im Folgenden dokumentieren wir den Beitrag der VVN BdA auf der Abschlusskundgebung

Lieber Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Bergedorferinnen und Bergedorfer,

Vielen Dank, dass ich hier heute für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten zu Euch sprechen darf. Wenn sich auch die Bergedorfer Gruppe erst vor wenigen Monaten erneut zusammengefunden hat, so ist doch die VVN- BdA insgesamt einer der ältesten Antifa- Organisationen. Die Frauen und Männer des antifaschistischen Widerstandes, die Überlebenden der nazistischen Konzentrationslager gründeten kurz nach Ende des Krieges die VVN. Unmittelbar nach der Befreiung entstandenen Häftlingskomitees und Ausschüsse der „Opfer des Faschismus, zunächst auf regionaler Ebene, “ Im März 1947 schlossen sie sich in Frankfurt am Main zum gesamtdeutschen „Rat der die „Vereinigungen der Verfolgten des Naziregimes“ zusammen.

Der Schwur von Buchenwald mit den Satz, der auch über unserer heutigen Demonstration steht, ist unser unverändert gültiges Leitmotiv! „Die Vernichtung des Faschismus mit seinen Wurzeln, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Dafür lohnt es sich zu kämpfen denn „Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“

Dafür müssen wir auch heute aufstehen, denn das Ziel ist noch nicht erreicht. Im November letzten Jahres taten die Medien in ganz Deutschland erschüttert, über die Entdeckung, dass auch die heutigen Nazis, in Gestalt der Terrorgruppe namens NSU, morden. Ich frage mich, warum erschienen alle so überrascht? Wir haben es doch gewusst, dass die menschenverachtende Ideologie noch die gleiche ist wie bei den historischen Vorbildern, wir haben es doch gewusst, dass Nazis gewalttätig sind. Die Ausstellung mit den Bildern der Opfer der Faschisten ist doch nicht nur hier in Bergedorf gezeigt worden! Wir haben es doch gewusst, dass immer mal wieder größere Mengen am Waffen und Munition bei Neo-Faschisten gefunden werden. Die haben damit nicht nur Wände verziert -was genug Anlass zu Sorgen wäre, nein, die haben sich die Waffen besorgt, um sie auch einzusetzen. Sorgen wir also dafür, dass das nicht wieder vergessen wird!

Sorgen wir auch dafür, dass der legale Arm der Faschisten, die NPD endlich verboten wird. Bereits 2007 hat die VVN 175.445 Unterschriften für ein sofortiges NPD-Verbot gesammelt. Zwei Jahr später habe wir die Leute gebeten nicht nur zu unterschreiben, sondern selber eine Stellungnahme, eine eigene Begründung warum die NPD verboten gehört, aufzuschreiben. 5.000 Stellungnahmen konnten wir sammeln. Und heute? Heute sammeln wir natürlich wieder Unterschriften, damit die Sonntagsreden von Politikern aller Couleur diesmal keine Sonntagsreden bleiben, sondern endlich Taten folgen und die NPD verboten wird.

Natürlich wissen wir, dass ein formales Verbot nur der erste Schritt sein kann, aber entscheidend ist, dass damit die staatliche Finanzierung der Volksverhetzenden und rassistischeren Ideologie endlich aufhört.

Sofort beendet werden muss auch die Unterstützung der Faschisten durch den Verfassungsschutz. Denn was ist ein V-Mann? Das ist kein Demokrat, der schweren Herzens „mit den Wölfen“ heult. Nein! Ein V-Mann ist ein überzeugter Nazi, der sich von Verfassungsschutz bezahlen lässt und mit Hilfe dieses Geldes noch mehr neofaschistische Organisationen aufbaut. Dieser Irrsinn gehört sofort gestoppt!

Die Beobachtung der rechten Umtriebe durch den Verfassungsschutz hat bekanntlich keine Ergebnisse gebracht, keinen der Morde an friedlichen Menschen verhindert, nur weil sie nicht in das rassistische Menschenbild der Nazis passten. Eingestellt werden muss auch und umgehend die Bespitzlung, Verfolgung und Kriminalisierung von Antifa-Gruppen und- Organisationen, darunter auch die der VVN-BdA.

Die Überwachung von Antifaschisten ist überflüssig, die Überwachung der Nazis Wirkungslos, also brauchen wir auch keinen so genannten Verfassungsschutz, der kann aufgelöst werden!

Die frei werdenden Gelder, und das sind nicht wenige, müssen dann der freien Jungendarbeit zur Verfügung gestellt werden, denn dort wird die eigentliche Präventivarbeit geleitstet, die verhindern kann, das weitere Jugendliche durch Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Ausgrenzung in die Fänger der Neo-Nazis geraten können. Und natürlich muss das Geld ohne die Spitzelklause aus dem Familienministerium verteilt werden.

Aufgelöst gehören auch die Umzüge der Neo-Nazis. Wenn die NPD endlich verboten wäre, dann könnten sie ihre Aufzüge nicht mehr als Meinungsfreiheit tarnen, sondern müssten ebenfalls endlich verboten werde. Ihr wisst es ja bestimmt: Am 2. Juni wollen die Faschos in Hamburg ihre perverse Form von „deutscher Zukunft“ mit einem mehrstündigen Aufmarsch feiern.

Das werden wir nicht zulassen. Hamburger und Hamburgerinnen können und werden die Nazis genauso stoppen, wie die Freunde in Dresden. Wir rufen alle Menschen dazu auf, den Nazis nicht die Straße zu überlassen.

Beteiligen euch an den Aktivitäten des Hamburger Bündnis gegen Rechts! Faschismus ist Keine Meinung – Faschismus ist ein Verbrechen

Enthüllung eines Modells für einen Gedenkstein (Mahnmal) für ehemalige ZwangsarbeiterInnen in Bergedorf

geschrieben von Ilse Jacob

14. April 2012

Im Folgenden dokumentieren wir den Beitrag von Ilse Jacob

Wenn ich auch heute in Alsterdorf wohne, so habe ich doch in meiner Biografie eine kleine Beziehung zu Bergedorf. Als meine Eltern, beide waren Kommunisten, im Juli 1944 verhaftet wurden, holte mich meine Großmutter nach Bergedorf. In ihren guten Händen blieb ich ein Jahr, bis meine Mutter aus dem KZ Ravensbrück zurückkam. Mein Vater, Franz Jacob, war 1940 nach siebenjähriger Haft entlassen worden und baute zusammen mit anderen Genossen, zu denen auch meine Mutter gehörte, in Hamburg eine Widerstandsgruppe auf, die später als Bästlein-Jacob-Abshagen-Organisation bekannt wurde. In dieser Gruppe arbeiteten auch ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene mit. Drei von ihnen möchte ich näher vorstellen.

Von Sinaida Strelzowa weiß man nur wenig, nicht einmal ihr Geburtsjahr ist bekannt. Sie kam aus der Sowjetunion, wahrscheinlich aus der Ukraine, und war Zwangsarbeiterin auf der Stülckenwerft. Sie gehörte der illegalen Betriebszelle der Bästlein-Jacob-Abshagen-Organisation an und organisierte vor allem unter den Ostarbeitern des Betriebes den Widerstand. Sie gehört zu den Menschen, die wie ihre Kollegen Ernst Fiering und Franz Reetz am 21. und 23. April 1945 im KZ Neuengamme ermordet wurden.

Roger Fridman war seit 1940 französischer Kriegsgefangener. Unter welchen Bedingungen er nach Deutschland gebracht wurde? Zu Fuß und mit der Bahn, fast ohne Nahrung, Ankunft in Sandbostel, von dort in ein Lager nach Hamburg-Lokstedt und von dort in die Vereinigten Deutschen Metallwerke (VDM) in Groß Borstel. Dort wurden Flugzeugteile hergestellt. Untergebracht waren sie in einem Tanzlokal und einer Baracke gegenüber der Fabrik. Roger Fridman arbeitete bei VDM als Elektriker; später als Dolmetscher, das erlaubte ihm, alle Abteilungen kennen zu lernen und Nazis von Antifaschisten unterscheiden zu können. Roger Fridman berichtete später: „Nachdem sich unsere Gruppe von französischen Kommunisten und Antifaschisten organisiert hatte, beschlossen wir folgende Aktion und führten sie durch: Da es oft geschah, dass diejenigen, welche die Gefangenen in ihre Werkstatt begleiten sollten, einige Minuten zu spät kamen und andererseits die Fabrikdirektion von unseren Wachen forderte, dass wir pünktlich waren, gelang es uns, dass wir nach drei Minuten Warten auf die Zivilpersonen in unsere Baracke zurückkehrten. Das rief einen Sturm hervor! Die Direktion und der Chef unserer Wachen stritten sich, wer dafür verantwortlich gewesen sei. Die Folge war, dass 250 Gefangene eine Arbeitsstunde verloren. Was aber noch größeren Wert für unsere politische Arbeit hatte: Von diesem Tage an konnten die Gefangenen allein in die Werkstatt gehen, zum WC und in die Kantine. Das gestattete ein freies Umhergehen der Gefangenen in der Fabrik.“ In diesem Betrieb gab es eine illegale Widerstandsgruppe, die zur Bästlein-Jacob-Abshagen-Organisation gehörte und deren Arbeit von Robert Abshagen angeleitet wurde. Ende 1941 wurde Roger Fridman von Erwin Ebhardt, einem Deutschen in der Uniform des NS-Fliegercorps auf die Französische Kommunistische Partei angesprochen. Roger Fridman war zunächst wegen der Uniform skeptisch, aber ein anderer deutscher Kollege beruhigte ihn, und sagte, der Erwin sei in Ordnung. Nachdem ihre Unterkunft durch einen Bombenangriff zerstört worden war und sie in der Kantine des Betriebes untergebracht worden waren, forderte Roger Fridman im Namen der Franzosen von der Direktion eine bessere Unterbringung. Die Direktion hatte taube Ohren. Erwin Ebhardt informierte Roger Fridman, dass am Lattenkamp eine Unterkunft für 300 Zwangsarbeiter mit einem Bombenunterstand eingerichtet worden und noch nicht belegt war. Dieses Quartier forderten die Gefangenen jetzt für sich. Der Chef der Wachen unterstützte sie bei dieser Forderung. Er musste nämlich bei Bombenangriffen mit den Gefangenen in der ungeschützten Kantine bleiben. Die Kriegsgefangenen versammelten sich auf dem Fabrikhof und erklärten, dass sie nicht mehr in der Kriegsfabrik arbeiten würden, wenn nicht für ihre Unterkunft gesorgt würde. „Ich berief mich auf die Statuten des Roten Kreuzes. Die Direktion rief den Generalkommandanten des Bezirkes an, der geruhte, sich in die Fabrik zu begeben. Mit ihm verhandelte ich. Meine Kameraden wichen unterdessen nicht vom Hof. Ihr könnt euch den Eindruck vorstellen, den das in der Fabrik machte. Ein Streik! Seit Beginn des Hitlerismus hatte sich eine solche Sache nicht im Betrieb ereignet. Wir erreichten: 1. Die Unterbringung im Lager Lattenkamp, das einen Bombenunterstand hatte, 2. dass wir uns von einem Kommando zum anderen versetzen lassen konnten, 3. Verbesserung unserer Verpflegung, 4. die Beihilfe der Fabrik zur Einrichtung einer Theaterbühne, 5. für mich persönlich die Bevollmächtigung zum freien Verkehr von Lattenkamp in die Fabrik, ohne Bewachung, und jederzeit, wann ich wollte. Als Erwin Ebhardt im Oktober 1942 verhaftet wurde, wurde auch Roger Fridman festgenommen. Nach den schweren Bombenangriffen im Juli 1943 erhielt Erwin Ebhardt für zwei Monate Hafturlaub. Er stellte sich nicht wieder und ging in die Illegalität. Im März 1944 gelang der Gestapo die Festnahme von Erwin Ebhardt. Der Prozess gegen ihn fand nicht mehr statt. Er erlebte das Ende des Krieges unter verschärften Haftbedingungen im Hamburger Untersuchungsgefängnis. Roger Fridmans Sache wurde dem Kriegsgericht übergeben. Er wurde dann ständig von einem Lager ins andere verlegt. Im Lager der Stadt Wesermünde erkrankte er und wurde in das Stalag 10B gebracht. Dort erlebte er im Frühjahr 1945 mit Hilfe von Freunden die Befreiung.

Michal Pozywilek war polnischer Kriegsgefangener. Er wurde 1941 als 24-Jähriger zusammen mit anderen zur Arbeit auf die Werft von Blohm & Voss gebracht. Er beschreibt in seinen Erinnerungen, wie er und seine Freunde Kontakt zu deutschen Kollegen gefunden haben. „Unter ihnen befand sich ein alter polnischer Emigrant von vor 1914. Mit seiner Hilfe konnten sich die deutschen Arbeiter leichter mit uns verständigen und dank ihm erfuhren wir, wer Faschist und wer Antifaschist war. Dieser alte Emigrant machte uns mit einem deutschen Arbeiter Bruno näher bekannt. Bruno lernte die russische Sprache, er bat meinen Kollegen Karpiennik, der die russische Sprache ziemlich gut beherrschte, um Hilfe. Nach einer gewissen Zeit bat Bruno den Lagerkommandanten um die Erlaubnis, uns nach der Arbeit oder am Sonntag für die Arbeit in seinem Garten mitnehmen zu dürfen. In der Wohnung in Barmbek, lasen wir eine verbotenen Zeitung… Bruno war kein Mitglied der KPD, sondern ein mit den Kommunisten Sympathisierender.“ Ich habe hier so ausführlich zitiert, weil es ein Beispiel dafür ist, wie es auch unter sehr schwierigen Bedingungen für einen deutschen Arbeiter möglich war, Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter zu unterstützen. Später lernte Michal Pozywilek den Kommunisten Hans Hornberger kennen und bekam durch ihn Verbindung zur illegalen Betriebszelle bei Blohm & Voss. Diese Kollegen halfen ihnen durch Beschaffung von Lebensmitteln und Bekleidung. Wichtig war den polnischen Arbeitern aber auch, dass sie die Möglichkeit bekamen, in den Wohnungen der deutschen Kollegen den Moskauer Sender zu hören und sich ein Bild von der Lage an der Front zu machen.1964 berichtet Michal Pozywilek: „Mit großer Überzeugungskraft sprach der Kollege Hans mit uns über den Widerstandskampf der deutschen Arbeiter gegen Naziregime und Krieg. Und es dauerte nicht lange, bis wir polnischen Kriegsgefangenen beschlossen, uns diesem Kampf anzuschließen. Wir erhielten wichtige Informationen und gaben sie weiter an unsere Kameraden im Wohnlager Jungiusstraße und viele andere Lager. Gemeinsam mit den deutschen Kollegen haben wir den sowjetischen Kriegsgefangenen, denen es besonders schlecht ging, geholfen, so viel wir nur konnten.“ Es gelang, Verbindungen zu französischen, holländischen, italienischen, polnischen, russischen und serbischen Kriegsgefangenenlagern in und um Hamburg herzustellen. Als ihre wichtigste Arbeit sahen die ausländischen Arbeiter die Organisierung von Sabotageakten in kriegswichtigen Betrieben an. Beabsichtigt war vor allem, die Zerstörung der zur Herstellung von Kriegsschiffen bestimmten Maschinen, Werkzeuge und Rohstoffe. Jeder zerstörte auf seinem Posten, was er konnte. Man zerbrach zum Beispiel massenhaft Glühbirnen, verursachte Kurzschlüsse, die Schweißer schweißten absichtlich fehlerhaft…

Im Oktober 1942 wurden viele Mitglieder der Bästlein-Jacob-Abshagen-Organisarion verhaftet, unter ihnen auch Hans Hornberger. Michal Pozywilek gelang es, Verbindungen zu anderen deutschen Antifaschisten herzustellen, z. B. zu Ernst Fiering auf der Stülckenwerft. Bei den schweren Bombenangriffen im Juli 1943 wurden auch viele Kriegsgefangenenlager zerstört, viele Gefangene flüchteten aus Hamburg. Michal Poziwilek blieb mit neun seiner Kameraden in Hamburg und versuchte, abgerissene Verbindungen zu deutschen Widerstandskämpfern wieder herzustellen. Als im Juli 1943 viele Gefangenen für zwei Monate Hafturlaub erhielten, beschlossen einige von ihnen, darunter Hans Hornberger, sich nach Ablauf der Frist nicht wieder zu stellen, sondern unterzutauchen. Michal Pozywilek besorgte ihm gemeinsam mit einem anderen polnischen Kameraden, ein illegales Quartier. Anfang Januar 1944 gelang es der Gestapo mit Hilfe eines Spitzels Hans Hornberger festzunehmen. In den Verhören wurden die Verhafteten immer wieder nach einem „Mischka“ befragt, der der Gestapo aber unbekannt blieb. Hans Hornberger wurde am 14. Februar gemeinsam mit seinen Genossen Gustav und Lisbeth Bruhn und Kurt Schill ohne gerichtliches Verfahren auf Anweisung Himmlers im KZ Neuengamme gehängt.

Im Herbst 1944 erschien den Behörden die Konzentration von feindlichen Ausländern in Hamburg zu groß. Viele von Ihnen wurden deshalb in Lager in der Gegend von Lübeck gebracht. Zu ihnen gehörte auch Michal Pozywilek. Im Winter 1944/45 gelang es ihm, gemeinsam mit anderen in die Wälder zu flüchten. Sie zogen Richtung Hamburg und versuchten, Kontakte zu Hamburger Genossen herzustellen. Als dies nicht gelang, versteckten sie sich bis zur Befreiung durch englische Truppen im Sachsenwald. Ich habe Roger Fridman und Michal Pozywilek in den 60er Jahren noch persönlich kennen gelernt und war von ihrer Persönlichkeit, ihrer Menschlichkeit und ihrem Humor beeindruckt. Hier, wo heute das Modell eines Mahnmals für ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter enthüllt wird, war es mir wichtig, daran zu erinnern, dass sie Furchtbares erlitten haben, aber auch dass viele von ihnen am antifaschistischen Widerstand beteiligt waren.

Frühjahrsputz in Bergedorf

geschrieben von Gruppe Bergedorf

8. April 2012

In Hamburg-Bergedorf sind 21 Stolpersteine verlegt worden, die vor dem an den letzten selbstgewählten Wohnort an Verfolgte der Nazi-Regimes erinnern. Viele diese Steine sind in Laufe der Zeit dunkel und stumpf geworden, so dass sie sich kaum noch von umgebenden Pflastersteinen abhoben.

Wir, die VVN- BdA Gruppe Bergedorf, haben uns an einem Freitagnachmittag getroffen, ausgerüstet mit Putzmitteln, Schwämmen und Tüchern um den Steinen wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Dabei haben wir natürlich auch „Flagge gezeigt“ und uns als VVN-BdA zu erkennen gegeben.

Anlass war auch, dass in diesem Jahr in Bergedorf, das 850 jährige Stadtjubiläum gefeiert wird. In diesem Rahmen gibt es auch eine Woche des Gedenkens mit einem umfangreichen Programm von Vorträgen, Ausstellungen, Lesungen, Stadtrundgänge Konzerten, Theater, Film und Diskussion in einen Woche des Gedenkens. Das war für uns auch ein Grund, jetzt die Stolpersteine zu reinigen. In der Gruppe hat es richtig Freunde gemacht und wir hatten am Ende das schöne Gefühl etwas Gutes getan zu haben. Zuvor hatte eine Kameradin einen Weg von Stein zu Stein ausgearbeitet und die Biographien recherchiert, so dass wir beim Reinigen gleichzeitig ein Gedenken veranstalten konnten. Zur Nachahmung empfohlen.

Woche des Gedenkens Bergedorf

geschrieben von Carola Kieras

7. April 2012

In Bergedorf haben sich 23 Initiativen und Vereine zusammengeschlossen und gemeinsam ein umfangreiches Programm erstellt.

Vom 13. bis 29. April 2012 wird in Vorträgen, Ausstellungen, Lesungen, Stadtrundgängen Konzerten, Theater, Film und Diskussion an Verfolgung, Widerstand und Zwangsarbeit zur Zeit des Faschismus erinnert. Ein wichtiger Programmpunkt ist die Enthüllung eines Models für einen Gedenkstein (Mahnmal) für ehemalige ZwangsarbeiterInnen in Bergedorf am Sonntag, den 15. April. Weitere Höhepunkte werden die Podiumsdiskussion „Strategien gegen Neonazismus“ am Montag, den 16. April, die Antifaschistische Demonstration am Sonnabend, den 21. April und das gemeinsame Konzert der Bejaranos und Microphone Mafia am 27. April sein. Das vollständige Programm am Ende des Artikels.

20120408_1_programmheft_woche_des_gedenkens.pdf (1288 KB)

Einige Gedanken aus der Rede vom 25.2.2012 zum 69. Jahrestag der Ermordung von Hans Scholl, Sophie Scholl und Christioph Probst.

geschrieben von Georg Chodinski, Landessprecher der VVN-BdA Hamburg

31. März 2012

Ihr Geist lebt trotzdem weiter! Mit dieser Zeile haben Hans Leipelt und seine widerständigen Mitstreiter das 6. Flugblatt der Münchener Weißen Rose 1943 ergänzt und weiter verteilt.

Die Kreise rund um die Hamburger „Weißen Rose“ diskutierten seit Monaten die Flugblätter, die sie aus München nach Hamburg schleusten. Als dann Sophie und Hans Scholl sowie Christioph Probst am 22.2.1943 ermordet wurden stand ihr Entschluss fest: Wir führen den Kampf weiter! Die „Weiße Rose Hamburg“, eine Bezeichnung, die erst nach dem Krieg entstand, das waren zahlreiche nur lose verknüpfte Freundeskreise mit einer humanistischen Grundhaltung. Ihnen war gemeinsam, Andersdenkende gegen das Naziregime zu sein. Sie wollten Freiheit und Gerechtigkeit und das Ende des Krieges. Zu ihnen zählten Antisemitisch Verfolgte, Christen, Sozialisten, Kommunisten, Freimaurer, Pazifisten, Intellektuelle und Künstler. Diese Vielfalt erinnert mich an die lange Liste der Erstunterzeichner zum „Block Dresden 2012“. Dazu heißt es im Aufruf: „Unsere Vielfalt ist unsere Stärke – das war unser Credo der letzten Jahre. Dabei bleibt es! Mit einem breiten Bündnis … haben wir deutlich gemacht: Blockaden sind legitim, und Dresden geht uns alle an!… Wir geben den Nazis keinen Meter Straße preis. Wir blockieren sie in Dresden: bunt und lautstark, kreativ und entschlossen! Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ Der Geist der „Weißen Rose“ – lebt weiter, auch heute noch in Dresden, Hamburg und anderswo!

NPD-Verbot: Jetzt aber richtig!

27. Dezember 2011

174.445 Menschen haben bereits 2007 gefordert, ein neues Verbotsverfahren nach Artikel 21, Abs. 2 Grundgesetz gegen die NPD auf den Weg zu bringen. 5.405 Menschen haben im Jahr 2009 ihre Argumente für ein NPD-Verbot auf der Kampagnen-Seite nonpd eingestellt. Ein wichtiges Argument ist und bleibt, dass das faschistische Menschenbild bereits dem Artikel 1 des Grundgesetzes widerspricht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Wir fordern die Einhaltung des Grundgesetzes!

Zwei wesentliche Argumente gegen ein NPD-Verbot sind offensichtlich falsch: ein Verbot treibe Nazis in den Untergrund und man brauche V-Leute zur Kontrolle der Szene. Inzwischen ist klar: V-Leute funktionieren nur in eine Richtung – sie versorgen die Nazi-Szene mit Geld und offensichtlich auch mit Informationen; irgendwelche Erkenntnisse, die nicht auch mit wissenschaftlichen oder journalistischen Methoden gewonnen werden, liefern sie nicht.

Wir fordern die Abschaffung des V-Leute-Unwesens!

Der „Nationalsozialistische Untergrund“ ist Teil eines braunen Netzes, in dessen Mitte die NPD die Fäden zieht. Die Führung der NPD war es, der mit der strategischen Orientierung „Kampf um die Straße – Kampf um die Köpfe – Kampf um die Parlamente“ die Öffnung der NPD zur „Kameradschaftsszene“ propagierte, zu der auch die Terrorgruppe und ihre Propagandisten zählen.

Solange die NPD durch Legalität den Eindruck erwecken kann, ihre rassistische, antisemitische, antidemokratische Hetze sei ein legitimes „nationales“ Anliegen und solange sie sich überwiegend über Steuergelder finanzieren kann, schöpft die gesamte neofaschistische Szene daraus den Anschein von Legitimität. Der Staat muss seinen Verpflichtungen zur Verteidigung der Demokratie endlich nachkommen.

Wir fordern die konsequente Durchsetzung eines NPD-Verbotsverfahrens!

20111228_1_unterschriftenliste_nonpd_2011.pdf (301 KB)

“V-Leute-System abschaffen“

geschrieben von Bundesausschuss der VVN-BdA

20. November 2011

Das friedliche Zusammenleben in unserem Land, Demokratie, Solidarität, unser Leben und unsere Zukunft werden von Neonazis und Neofaschismus bedroht.

Die Mordserie der neofaschistischen Terrorgruppe, die sich “Nationalsozialistischer Untergrund“ nennt, belegt auf dramatische Weise: Neofaschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Trotz der ungeheuerlichen Dimension und Brutalität dieser Morde sind sie kein Einzelfall. Wir erinnern an das Oktoberfest-Attentat in München und die Brandanschläge, Pogrome und Mordtaten in den 90er Jahren u.a. in Solingen, Mölln, Lichtenhagen und Hoyerswerda. Eine Liste von Todesopfern rechter Gewalt in Deutschland seit 1990 nennt die erschreckende Zahl von 182 Toten.

Das Ausmaß der neonazistischen Gewalt zeigt, dass die totale Missachtung menschlichen Lebens – Gewalt bis zum Mord – immanenter Bestandteil des Denkens und Handelns im Neonazismus ist. Es ist die faschistische Ideologie, die diese Gewalt hervorbringt und fördert. Diese Erfahrung haben wir bereits in der NS-Zeit machen müssen.

Dennoch orientieren Blick und Weltbild der herrschenden Politik, in Staat und den tonangebenden Medien vorrangig auf angebliche “Gefahren von links“ und Gefahren durch “Fremdes“ und “Ausländisches“: Internationaler Terrorismus, Islamismus und “Linksextremismus“ (neuerdings noch gesteigert zum “Linksterrorismus“) beherrschen das Denken und Handeln der staatlichen Kräfte. Für einen konsequenten Kampf gegen rechts bleibt da kein Platz.

Rechte Gewalt und rechter Terror werden bagatellisiert, entpolitisiert, wenn nicht sogar geleugnet. Geburtshelfer mit NS-Vergangenheit bei der Inbetriebnahme der bundesdeutschen Geheimdienste haben da möglicherweise ihre Nachwirkung.

Politik und Staat sind auf dem rechten Auge blind. Als feststand, dass die sogenannten “Döner-Morde“ sich ausschließlich gegen Menschen ausländischer Herkunft richteten, wurde dennoch an alles Mögliche gedacht, nur nicht an Neonazis und deren Ausländerhass. Vielmehr wurden sogar die Opfer posthum krimineller Verbindungen verdächtigt.

Das gegen links gerichtete Weltbild verhindert konsequentes Vorgehen gegen Neonazis und Neofaschismus. Mehr noch: Politik, Justiz und Polizei sind folgerichtig primär gegen Nazigegner aktiv. Das zeigt das Beispiel Dresden, ist aber nicht auf Dresden beschränkt.

Die bislang praktizierte Zurückhaltung und Untätigkeit gegen Neonazis – überdeutlich geworden am Beispiel der jahrelang unbehindert morden könnenden Neonazigruppe – leistet dem Neofaschismus Vorschub.

Die vorzeitig eingestellten bzw. unterlassenen Ermittlungen und die Versäumnisse im Vorgehen gegen die bereits erkannten Neonazis der späteren Mörderbande verhinderten in der Konsequenz eine Strafverfolgung.

Deutlich wird die daraus resultierende Hilfestellung für Neonazis auch am System der V-Leute. Das sind vom Verfassungsschutz besoldete Neonazis. Der VS finanziert damit neofaschistische Gruppierungen, Organisationen und auch die NPD.

Wie die nunmehr bekannt gewordenen Vorgänge rund um die Verbrechen der Mördergruppe zeigen, haben als V-Leute bezahlte Neonazis – auch im Umkreis dieser Mörderbande – kein Verbrechen verhindert, nicht einmal aufgedeckt, sondern eher noch die Verbrecher geschützt und unterstützt.

Der Einsatz der V-Leute hat bereits das erste Verbotsverfahren gegen die NPD torpediert und damit die NPD vor dem Verbot gerettet. Das alles verlangt, das V-Leute-Unwesen endgültig zu beenden. V-Leute nützen den Neonazis.

Als größte antifaschistische Organisation Deutschlands, die von Naziopfern, ehemals Verfolgten und Widerstandskämpfer/innen gegründet wurde, fordern wir:

Die Gefahr des Neofaschismus muss endlich ernst genommen und entsprechend bekämpft werden.

Antifaschismus darf nicht länger diskriminiert werden. Dieses Land braucht ein klares Bekenntnis zum Antifaschismus.

Erforderlich sind:

Durchsetzung des im Grundgesetz und in den Strafgesetzen verankerten Faschismusverbots;

konsequentes Vorgehen gegen Neonazis und Neofaschismus. Unterbindung und Verbot neofaschistischer Umtriebe, Organisationen und Gruppierungen;

das Verbot der NPD, die Knotenpunkt, organisatorische Plattform, Ideologiegeber und Reservoir für neonazistische Gewalttäter ist – und zu der auch die Mörderbande Verbindung gehalten hat;

umfassende Aufklärung über das dubiose Verhalten von Justiz, Polizei und Verfassungsschutz bei neonazistischen Gewalttaten und gegenüber den Tätern;

Abschaffung des V-Leute-Unwesens – auch um damit den Weg zum Verbotsverfahren gegen die NPD freizmachen.

Die den Neonazismus fördernde Gleichsetzung von “Links- und Rechtsextremismus“ ist zu beenden.

Projekte gegen rechts dürfen nicht länger eingeschränkt oder behindert werden, sie müssen ohne Einschränkung gefördert werden. Die “Extremismusklausel“ ist zu streichen.

Antifaschistischer und zivilgesellschaftlicher Protest und Widerstand gegen Umtriebe und Aufmärsche von Neonazis dürfen nicht länger behindert und kriminalisiert werden. Sie sind ein aktiver Beitrag zur Verteidigung der Demokratie.

Wir wenden uns gegen alle Versuche, die Mordtaten der Neonazis, die wegen staatlicher Untätigkeit jahrelang fortgesetzt werden konnten, nunmehr zum Vorwand zu nehmen, erneut eine Einschränkung demokratischer Grundrechte und Freiheiten durchzusetzen und den allgemeinen Überwachungsapparat, alle Bürgerinnen und Bürger betreffend, auszubauen.

Die VVN-BdA wird ihre Aktivitäten im Rahmen der „nonpd“-Kampagne verstärken.

Bundesausschuss der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten in der Bundesrepublik Deutschland (VVN-BdA), Mageburg, 20.11.2011

Schweigemarsch anläßlich der Nazi-Morde

geschrieben von Traute Springer-Yakar

18. November 2011

Ich bedanke mich für die Gelegenheit, hier für meine Organisation zu reden und die Opfer des neofaschistischen Terrors, mit Ihnen betrauern und ihnen Ehre erweisen zu dürfen, an allererster Stelle denke ich an den Hamburger Süleyman Tasköprü.

Meine Organisation, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten wurde direkt nach der Befreiung vom Faschismus im Jahre 1945 gegründet von Überlebenden der Konzentrationslager und Knäste gegründet. Unermüdlich kämpfen ihre Mitglieder gegen alte und neue Faschisten, gegen den neu erstarkenden Rassismus der Neidgesellschaft. Durch Aufklärung, Zeitzeugenarbeit in den Schulen, akribische Recherche und Pressegespräche gemeinsam mit unseren Bündnispartnern aus autonomen und Migranten- und Flüchtlingsorganisationen gelangen uns immer wieder Durchbrüche, von denen die Schlapphüte der 17 Verfassungsschutzämter nur träumen können. Ich nenne nur die Antirassistischen Telefone in den 90ern, die erfolgreichen Proteste gegen die Naziaufmärsche in Hamburg und die Dresdner Blockade Seit vielen Jahren bemühen wir uns um ein NPD-Verbot; 2003 scheiterte dieses vor dem Bundesverfassungsgericht, weil die höchsten Richter kapitulieren mußten vor dem Unwesen des Verbindungsleutesystems der Verfassungsschützer.

In den Jahren 2008 bis 2010 setzte die VVN ihre gesamte personelle und finanzielle Kraft dafür ein, trotz alledem ein NPD-Verbot durchzusetzen. Jahrzehntelang wurden unsere Anstrengungen gegen den Neofaschismus gönnerhaft belächelt, uns Antifaschisten wurde Geltungssucht und Selbstaufwertung unterstellt, Das seien ein paar besoffene No-Brainer, die man durch Bekämpfung/Aktionen nur aufwerte und besser ignorieren sollte. Liebe Freunde, wir können 182 Morde seit 1990 nicht ignorieren. Wir können nicht ignorieren, dass in weiten Teilen der N euen Bundesländer und nicht wenigen Gegenden der alten Migranten und Flüchtlinge, Antifaschistinnen und Antifaschisten sich nicht frei und sorglos bewegen können. Wir können die Brutalität und den Zynismus derer, deren Vorbilder die Welt über sechs Jahre lang mit Krieg überzogen, sechs Millionen Jüdinnen und Juden, eine halbe Million Roma und Cinti, und zehn Millionen russische und polnische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ermordet hatten, in keinem einzigen Fall ignorieren oder dulden. Mit wachsender Sorge beobachten wir, wie der sogenannte alltägliche Rassismus zum Kulturgut eines ganzen Landes, ja von ganz Europa wird. Die Herabwürdigung von Migranten und Flüchtlingen zu papierplatten, wandelnden Klischees, zu Schubladenbewohnern sind Relikte einer ideologisch und biologistisch mit der heißen Nadel gestrickten Rassentheorie und von dort immer wieder über die Boulevardpresse in die Köpfe der Menschen gepreßt worden. Da darf es nicht wundern, dass sämtliche Ermittler-Teams unisono 10 Jahre lang die Täter für die Morde an Migranten unter Migranten suchten. Nazi-Mörder und Ermittler messen mit demselben Maß Wer jemals zu irgend einem Zeitpunkt seines Lebens ungerecht und grundlos beschuldigt wurde, kann nachfühlen, wie schlimm das für Angehörigen und Freunde der Opfer war. Dass neuerdings Spitzenpolitiker aller Parteien öffentlich ihre Scham bekunden, entschädigt sie kaum.

Wir alle müssen gemeinsam eintreten für das NPD-Verbot. Das Hindernis, dass V-Leute nötig und sie abzuschalten nicht ratsam ist, greift hier nicht. Wenn, wie letzte Woche im WDR kolportiert wurde, der erste Vorsitzende der NPD Nordrhein-Westfalen, V-Mann des Bundesamtes, sein Stellvertreter V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz ist, dann ist die Unkontrollierbarkeit durch Führungsoffiziere der Behörde zwangsläufig das V-Leute-System dient nur als Einkommensquelle für die Parteien, gegen die es angeblich gerichtet ist. Während ich heute diese Rede schrieb, war am unteren Rand meines stumm geschalteten Fernsehers immer wieder folgender Satz zu sehen: Rechter Terror: BKA-Chef weist Vorwurf des Totalversagens zurück. Da können wir ihm nicht folgen. Ein NPD-Verbot ist unabdingbar. 182 Mordopfer der letzten 20 Jahre sagen deutlicher als wir je könnten: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Gedenkkundgebung und Mahnwache anlässlich des 73. Jahrestages der Reichspogromnacht,

geschrieben von Traute Springer-Yakar

8. November 2011

Im Namen der Veranstalterkreises, der Jüdischen Gemeinde Hamburg, der Universität Hamburg und der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes Bund der Antifaschisten begrüße ich Sie zur Gedenkkundgebung und Mahnwache anlässlich des 73. Jahrestages der Reichspogromnacht, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 stattfand.

… Wir treffen uns an diesem Ort, weil hier bis zum 9. November 1938 die große Bornplatz-Synagoge stand. In der Nacht vom 9. Auf den 10. November 1938 wurde die Synagoge geschändet und die Inneneinrichtung zerstört, später wurde im Inneren Feuer gelegt.

Dieser Platz ist seit 1989 nach dem letzten Rabbiner der Bornplatz-Synagoge, dem weit über die Grenzen Hamburgs hinaus bekannten und verehrten Oberrabbiner Dr. Josef Carlebach benannt. In jener Nacht wurden in Hamburg, wie überall im nationalsozialistischen Deutschland, die Synagogen geschändet und jüdische Geschäfte und Wohnungen zerstört und geplündert. Juden und Jüdinnen wurden auf den Straßen misshandelt, öffentlich gedemütigt, zur Schau gestellt und einige ermordet. Allein hier in Hamburg wurden 1000 Menschen im Laufe dieser Nacht und in den darauf folgenden Tagen verhaftet und in die Konzentrationslager Fuhlsbüttel und Sachsenhausen deportiert. Nicht wenige kamen der Verhaftung durch Selbstmord zuvor. Für die von SA-Horden und Mitläufern verübten Zerstörungen und Sachbeschädigungen wurde den Hamburger jüdischen Gemeinden und Bürgern eine Sühnezahlung von 1 Milliarde RM aufgezwungen. In der Zeit nach der Pogromnacht eskalierte die Verfolgung jüdischer Bürger durch die Staatsmacht : Juden waren von fast jeder Form des öffentlichen Lebens ausgeschlossen, sie wurden Zug um Zug ihres Vermögens beraubt und gezwungen, ihren Grundbesitz zu verkaufen. Jüdische Kinder wurden vom Besuch allgemein bildender Schulen ausgeschlossen, sie durften nur noch jüdische Schulen besuchen. Ab 30.Juni 1942 wurde die Beschulung jüdischer Kinder ganz eingestellt, die jüdische Mädchenschule Karolinenstrasse wurde geschlossen. Die dem Bornplatz benachbarte Talmud Tora schule wurde schon im Frühjahr 1940 geschlossen.

Dies konnte nur geschehen, weil die gesamte Opposition gegen Hitler von Kirche bis KPD gleich 1933 eliminiert oder in die Illegalität getrieben wurde.

1989 hatten wir die Gedenkveranstaltung der Reichspogromnacht dem Kampf um das Bleiberecht für Roma und Cinti gewidmet, weil die Besetzung des Klinkerwerks auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme durch eine große Gruppe gegen ihre drohende Abschiebung protestierende Roma kurz vorher auf Befehl des 2. Bürgermeisters Ingo von Münch mit Polizeigewalt beendet worden war. Einwänden gegen diese vorgebliche Instrumentalisierung der Gedenkveranstaltung begegnete insbesondere Esther Bejarano, die mit großer Entschiedenheit erklärte: Die Lebenden müssen geschützt werden. Damals waren wir mit mehreren tausend Menschen in einem großen Bus- und Autokorso nach Neuengamme gefahren und hatten im Klinkerwerk unsere Kundgebung anlässlich der Pogromnacht abgehalten und dort in diversen Reden beschrieben, wie schwer es diese Stadt ihrer Roma- und Cinti-Bevölkerung zu den unterschiedlichen Zeiten gemacht hat..

Auch aktuell werden wieder Roma aus Hamburg in die Länder Ex-Jugoslawiens abgeschoben. Seit Bekanntwerden dieser Bedrohung haben wir immer wieder in Briefen und Aktionen gegen die drohenden Abschiebungen protestiert. Mittlerweile sind einige Abschiebungen nach Ablehnung entsprechender Einzelpetitionen vollzogen worden, weitere stehen direkt bevor. Das dürfen wir nicht hinnehmen, es ist unsere Pflicht, gegen jede einzelne dieser Abschiebungen zu protestieren.

Als nächstes spricht zu uns Wolfgang Rose, Landesbezirksleiter ver.di Hamburg und Mitglied SPD-Fraktion der Hamburger Bürgerschaft, zu deren Gunsten er uns heute leider frühzeitig verlassen wird. Deshalb sollten wir ihn bitten, dort auszurichten bzw. zu bekräftigen, heute oder zu einem anderen Zeitpunkt, was Steffi Wittenberg bereits am 31.10.2011 an den Ersten Bürgermeister schrieb:

Warum geben wir notleidenden Menschen nicht die Chance sich bei uns zu entwickeln und einen unbeschränkten Aufenthalt zu finden?

Die Vorstellung, wie diese Immigranten aus ihrer jetzigen Umgebung herausgerissen und ins Ungewisse abgeschoben werden, tut mir in der Seele weh. Als ehemalige jüdisch Verfolgte aus Hamburg die angesichts der Verfolgung durch Nazideutschland 1940 mit ihrer Familie in Uruguay aufgenommen wurde, berühren mich diese Abschiebungen besonders. Ich habe den Eindruck Deutschland fühlt sich stark und hat aus seiner Geschichte zu wenig gelernt.

Ich hätte gerade von einer SPD Regierung meiner Heimatstadt erwartet, dass sie alles daran setzt den bei uns Zuflucht suchenden Menschen eine sichere Bleibe und Zukunftsaussicht zu gewähren.

Es wäre gut, wenn die Freie und Hansestadt Hamburg alles dazu tun würde, damit sich die gegenwärtige Einwanderungspolitik gerade Sinti und Roma gegenüber positiv in Sinne des Humanismus ändert.

Ist Ihnen nicht auch schon einmal aufgefallen, wie untrennbar gerade dieser Stadtteil mit dem Schicksal jüdischer Bürgerinnen und Bürger in Hamburg verbunden ist? Schauen Sie sich um, in diesen schönen, ehrwürdigen Altbauten haben sehr viele jüdische Hamburgerinnen und Hamburger gelebt, eine Vielzahl von Stolpersteinen im gesamten Viertel zeugt von ihrem Schicksal. Hier waren mehrere Synagogen außer dieser, hier war die inzwischen wieder eröffnete Talmud Thora Schule, hier ist auch die Universität, die viele jüdische Wissenschaftler ausschloss. …

Nach der schon erwähnten polizeilichen Räumung des Klinkerwerkes im Konzentrationslager Neuengamme von einer großen Gruppe gegen ihre anstehende Abschiebung protestierender Roma im Oktober 1989 wurden diese von der Friedenskirche in Hamburg Altona aufgenommen, wo sie, d.h. ungefähr 150 Menschen, für mehrere Wochen im Gemeindesaal wohnten.

Im Namen des VeranstalterInnenkreises bedanke ich mich bei allen Anwesenden, Rednerinnen und Rednern, Besucherinnen und Besuchern, für diese gemeinsam im Zeichen von Humanismus und Antifaschismus verbrachten Stunden. Ich bedanke mich bei den Schülerinnen und Schülern der Schule Altrahlstedt für die Herrichtung dieses JCPes vor der Kundgebung. Der Jahrestag der Pogrome mahnt uns, weiter unbeirrt für die historische Losung “Nie wieder” einzutreten. Noch gibt es Zeitzeugen, die ihre Erinnerungen und Erfahrungen an die systematische Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen an Jüngere weitergeben können. Doch ihre Zahl sinkt mit jedem Jahr. Seit langem legen auch nachgeborene Antifaschistinnen und Antifaschisten Zeugnis ab von den Verbrechen, die der deutsche Faschismus verübte. Dabei geht es auch um politische Zeichen: Antisemitismus, Rassismus und Neofaschismus dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Bleiberecht für alle von Abschiebung bedrohten Roma …

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