Ansprache von Esther Bejarano anlässlich der Neonazi-Aufmarsches („Tag der deutschen Zukunft“) am 2. Juni 2012 in Hamburg

1. Juni 2012

Liebe Freundinnen und Freunde, ihr auf den Straßen und Plätzen, ihr auf den Blockaden, ihr, die ihr diese Stadt – keinen Fußbreit dieser Stadt – den Neonazis überlassen wollt, ich grüße euch. Wie ungeheuer wichtig es ist, dass jeder von uns heute und jetzt bei dieser Gegendemo des Naziaufmarsches dabei sein muss, will ich wie folgt begründen:

In Zeiten, in denen hierzulande mindestens zehn Menschen von einer rechten Terrorbande ermordet wurden, weil sie türkische oder griechische Namen trugen und diese Neonazis mindestens 13 Jahre lang offensichtlich unter rechts zugedrückten Augen der Polizei, der Justiz und des Verfassungsschutzes wüteten. In Zeiten, in denen die NPD und neofaschistische Kameradschaften ganze Regionen zu „national-befreiten Zonen“ erklären und die NPD immer noch nicht verboten ist, müssen wir alle uns einmischen und von der Regierung fordern, endlich zu handeln. Wer nicht durch die Hölle von Auschwitz gegangen ist, kann es schwer erahnen, was es für uns bedeutet, wenn Nazibanden in allen Städten marschieren dürfen. Das trifft uns so sehr, weil damit bewiesen wird, dass es keine oder wenig Aufklärung über die damaligen Verbrechen gegeben hat. Es wurde ein Mantel des Schweigens über die zahllosen Morde und Erniedrigungen von Menschen gelegt. Darum sagen wir, die letzten Überlebenden, die letzten Zeugen des faschistischen Terrors, aus der Erfahrung unseres Lebens: Nie mehr schweigen, wegsehen, wie und wo auch immer Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit hervortreten. Erinnern heißt handeln.

Und hier möchte ich einen Appell an die gesamte deutsche Jugend richten: Was von euren Vorfahren meistens verdrängt, auch diskriminiert und verleugnet wurde: Das Bedeutsamste und Kostbarste aus deutscher Geschichte ist und bleibt der antifaschistische Widerstand. Der Nazihölle entronnen, dem sogenannten „Tausendjährigen Reich“, das für uns tatsächlich wie tausend Jahre war, jede Stunde, jeden Tag den Tod vor den Augen. Wir wünschen uns, dass ihr, weil es ja so bitter nötig ist, in Zukunft Widerstand leistet, wie damals die Widerstandskämpfer gegen den Hitlerfaschismus, für ein Leben in Frieden und Freiheit für alle Menschen auf dieser Welt. Ich glaube an euch!