Vier von uns

25. September 2013

Achtzigster Jahrestag – ein Stadtteilrundgang erinnert an den „Altonaer Blutsonntag“

 „Erinnern, nicht nur um zu erinnern.

Erinnern, um in Zukunft so was zu verhindern.

Wir erinnern Euch an die Zukunft Eurer Kinder.“

 

Die Rapper „one step ahead“ aus dem Haus der Jugend Steilshoop brachten es mit dem Refrain ihres selbst geschriebenen Tracks „Erinnern“ auf den Punkt. Darum ging es der VVN-BdA aus Hamburg-Altona mit ihr Stadtteilrundgang: Vergleichen, Parallelen ziehen, aus der Geschichte lernen.

Das Ereignis „Altonaer Blutsonntag“ fasste vor einem Jahr Tanja Girod in der antifa 9-10/2012 Seite 22 so zusammen: „Am 17. Juli 1932 endete ein Propagandamarsch der NSDAP in Hamburg in einer Straßenschlacht mit Schießerei. Während dieses Vorfalls starben 18 Menschen. Zwei SA-Leute und 16 Anwohner der Altonaer Altstadt starben im Kugelhagel der Polizei.“

Mit gefälschten Beweisen wurden gleich nach der Machtübertragung im ersten Prozess Anklage erhoben und 15 Personen verurteilt. Vier von ihnen zum Tode, die anderen elf zu insgesamt 315 Jahre Zuchthaus. August Lütgens (34), Walter Möller (26), Bruno Tesch (19), und Karl Wolff (21) richteten die Nazis am 1. August 1933 hin. Erst am 13. November 1992 werden alle vier vom Landgericht Hamburg freigesprochen.

August Lütgens stellten uns die Altonaer besonders vor: 1897 als Kind einer Arbeiterfamilie geboren, nach der Schule Seemann, 1913 SPD- und Gewerkschaftsmitglied, Marinesoldat im Ersten Weltkrieg. 1918 beteiligte er sich in Wilhelmshaven an der Novemberrevolution. Im Mai 1919 zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, konnte er jedoch aus der Haft über Dänemark in die Sowjetunion fliehen. Dort lernte er seine Frau Luise (Lisa) kennen, mit der er zwei Kinder hatte. (Lisa und sein Sohn Franz wurden Opfer des 1937 beginnenden Massenterrors in der Sowjetunion. Im September 1941 verhaftet, starben Beide in der Gefangenschaft.) Eine Generalamnestie ermöglichte August Lütgens 1931 die Rückkehr nach Deutschland. Hier wurde er in Altona Politischer Leiter des verbotenen Rotfrontkämpferbundes. Am 1. August 1933 starb er unter dem Handbeil des Schafrichters. Seine Asche ist seit dem 14. September 1947 auf dem Ehrenhain des Ohlsdorfer Friedhofs beigesetzt.

„Vier von uns“, diesen Titel nahmen die Sprecher und Künstler im Bühnenprogramm nach dem Rundgang als Bild für ihre aktuelle Situation und die Chancen von solidarischem Handeln auf. So protestieren Nachbarn rund um die Holstenstraße gemeinsam gegen „rassistische Polizeikontrollen“, weil Jugendliche, denen die Polizei „Migrationshintergrund“ zuschreibt, verdachtsunabhängigen Kontrollen ausgesetzt sind. Kolleg(inn)en von „Neupack“ halten untereinander mit Unterstützung von außen zusammen. Ihr Ziel ein Tarifvertrag und der Kampf ist noch lange nicht zu Ende. Auch die Lampedusa-Flüchtlinge organisieren ihren Widerstand selbst für einen Verbleib in Hamburg „No way back to Italy“, und die Solidarität in der Stadt wächst. Am Ende dann die Rapper „one step ahead“. Auch Ihre Zukunft bleibt unklar. Ihr „Haus der Jugend“ soll einem Erweiterungsbau der Stadtteilschule Steilshoop weichen.

Und alle schauen auf die Vier aus Altona und ihren Widerstand. Sie sind „Vier von uns“.

Georg Chodinski