Gedenken zum 75. Jahrestag

20. Januar 2018

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 … für die hingerichteten Mitglieder der antifaschistischen Widerstandsgruppe „Weiße Rose“.

Kundgebung Weiße Rose Gedenken 2018

Bilder: Lore Meinberg

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich begrüße Sie und Euch zu unserer diesjährigen Kundgebung in Erinnerung an die mutigen Frauen und Männer der Widerstandsgruppe Weiße Rose. Am 18. Februar 1943, also vor ziemlich genau 75 Jahren, wurden Hans und Sophie Scholl beim Auslegen ihres sechsten und letzten Flugblattes in der Universität München erwischt. Nur vier Tage später wurden die Geschwister und ihr Mitstreiter Christoph Probst hingerichtet.

Die Flugblätter der Weißen Rose gelangten auch bis nach Hamburg. Ihr Kommilitone Alexander Schmorell, er wurde gemeinsam mit Kurt Huber am 13. Juli 1943 im Gefängnis München-Stadelheim enthauptet, hatte im Jahr davor ein Semester in Hamburg Eppendorf studiert. Hier bekam Alexander Schmorell Kontakt zu einer oppositionellen Gruppe, die sich „candidats of humanity“ nannten. Später haben die Hamburger Hans Leipelt, und Traute Lafrenz,  die in München studierten, den Kontakt zwischen Hamburg und München hergestellt.

Zu den „candidats of humanity“ gehörte übrigens auch Prof. Rudolf Degkwitz, der im Jahr 1937 der jüdischen Doktorantin Ingeborg Rapoport bescheinigte, dass sie aufgrund der bestehenden Gesetze ihre Dissertation in Hamburg nicht beenden konnte. Bekannt wurde das erst 2004, als Ingeborg Rapoport im Alter von 102 mit der Verteidigung ihrer Dissertation öffentliches Aufsehen erhielt.

Die Flugblätter der Weißen Rose hatten große Wirkung auf drei oppositionelle Kreise in Hamburg, die wir heute als Hamburger Zweig der Weißen Rose bezeichnen. Neben den schon erwähnten „canditates of humanity“, gab es noch den Kreis ehemaliger Lichtwark-SchülerInnen, einer Schule, die sich vor der Gleichschaltung durch die Faschisten humanistischer Bildung und Reformpädagogik verschrieben hatte, und den Freundeskreis der Familie Leipelt. Alle drei Gruppen, die über einzelne Mitglieder in losen Austausch standen, hatten gemeinsam, dass sie sich schon seit längeren in Gegnerschaft zum Nationalsozialismus befanden. Sie lasen und diskutieren verbotene Bücher, interessierten sich für moderne, sogenannte „Entartete Kunst“, hörten verbotene Radio-Sendungen der BBC und manchmal auch Swing-Music. Es verband diese Gruppen vor allem der Zorn gegen die geistige Unfreiheit. Ungefähr 50 Personen werden heute zur Weiße Rose gezählt. Über die Hälfte von ihnen waren unter 30 Jahren alt.

Ihn war gemeinsam war eine humanistische Bildung und linksliberale Grundhaltung, es waren Intellektuelle und Studenten, sie trafen sich u.a. in den Buchhandlungen von Felix Jud oder Anneliese Tuchel, sowie in privaten Räumen. So zum Beispiel die ehemaligen Lichtwart-SchülerInnen zu Leseabenden bei ihrer strafversetzen Lehrerin  Erna Stahl.

In den ersten Jahren waren diese Gruppen hauptsächlich damit beschäftig sich fortzubilden, Kunst und Literatur waren ihre Themen. Dabei waren sie sehr vielseitig interessiert. Sie lasen sowohl die Bibel als auch marxistische Literatur, und vieles „dazwischen“. Aber es gab auch konkrete Aktionen: Margareta Rothe stellte mittels eines Stempelkastens, der als Kinderspielzeug gedacht war, keine Streuzettel her. Unter der Überschrift „Gegen Hitler und den Krieg“ verbreiteten sie Frequenzen und Sendezeiten des antifaschistischen „Deutschen Freiheitssenders“.

Die Passivität änderte sich, als sie im Herbst 1942 das dritte Flugblatt der Münchener Weisen Rose erhielten. Darin wird zum passiven Widerstand und zur Sabotage aufgerufen.

„Der Sinn und das Ziel des passiven Widerstandes ist, den Nationalsozialismus zu Fall zu bringen, und in diesem Kampf ist vor keinem Weg, vor keiner Tat zurückzuschrecken, mögen sie auf Gebieten liegen, auf welchen sie auch wollen“ […]

„Und jetzt muß sich ein jeder entschiedene Gegner des Nationalsozialismus die Frage vorlegen: Wie kann er gegen den gegenwärtigen „Staat“ am wirksamsten ankämpfen, wie ihm die empfindlichsten Schläge beibringen? Durch den passiven Widerstand – zweifellos. Es ist klar, daß wir unmöglich für jeden einzelnen Richtlinien für sein Verhalten geben können, nur allgemein andeuten können wir, den Weg zur Verwirklichung muß jeder selber finden.

Sabotage in Rüstungs- und kriegswichtigen Betrieben, Sabotage in allen Versammlungen, Kundgebungen, Festlichkeiten, Organisationen, die durch die nationalsozialistische Partei ins Leben gerufen werden. Verhinderung des reibungslosen Ablaufs der Kriegsmaschine (einer Maschine, die nur für einen Krieg arbeitet, der es allein um die Rettung und Erhaltung der nationalsozialistischen Partei und ihrer Diktatur geht). Sabotage auf allen wissenschaftlichen und geistigen Gebieten, die für eine Fortführung des gegenwärtigen Krieges tätig sind – sei es in Universitäten, Hochschulen, Laboratorien, Forschungsanstalten, technischen Büros. Sabotage in allen Veranstaltungen kultureller Art, die das „Ansehen“ der Faschisten im Volke heben könnten. Sabotage in allen Zweigen der bildenden Künste, die nur im geringsten im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus stehen und ihm dienen. Sabotage in allem Schrifttum, allen Zeitungen, die im Solde der „Regierung“ stehen, für ihre Ideen, für die Verbreitung der braunen Lüge kämpfen. Opfert nicht einen Pfennig bei Straßensammlungen (auch wenn sie unter dem Deckmantel wohltätiger Zwecke durchgeführt werden). Denn dies ist nur eine Tarnung.“

(http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/weisse-rose/61019/flugblatt-iii)

Diese und die späteren Flugblätter wurde vielfach abgeschrieben manchmal ergänzt und weiter verteilt, so zum Beispiel mit dem Gedicht „Ihr und die Dummheit zieht in Vierrerreihen“ von Erich Kästner.

Nach den Verhaftungen in München, im März 1943 war auch Traute Lafrenz verhaftet und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden, verstärken die Hamburger ihren Widerstand. Neben den Flugblättern die die Münchner formuliert hatten, wurden auch Texte von Thomas Mann und Bertolt Brecht vervielfältigt und verteilt.

Zu den zahlreichen Helfern gesellte sich im Sommer sich auch Maurice Sachs, ein Literat aus Frankreich – und ein Spitzel der Gestapo – dazu. Er wurde gemeinsam mit den anderen im November verhaftet und im KolaFu inhaftiert und hat, da er durch die gemeinsame Haft weiterhin Vertrauen genoss, auch dort der Gestapo als Spitzel gedient. Insgesamt wurden 30 Personen verhaftet.

 

 

Was kann die weiße Rose Hamburg uns heute, 75 Jahre danach, noch sagen?

  • Sich eine humanistische Bildung zu erarbeiten, ist heute auch nicht selbstverständlich, aber viel leichter als unter den Bedingungen der Verfolgung jedem möglich.
  • Informationen von unabhängiger Presse! Auch dass ist heute jederzeit möglich. Wir sind nicht mehr von der Todesstrafe bedroht, wenn wir uns jenseits des Mainstreams informieren. Das sollten wir nutzen.
  • Wir können die bestehenden Bedingungen kritisch hinterfragen und -wenn nötig – nicht vorm Handeln zurückschrecken. Auch wenn der Verfassungsschutz uns überwacht, die Polizei bei Demonstrationen Wasserwerfer mit Reizgas einsetzt und einkesselt. Das alles ist so wenig im Vergleich zu den Verfolgungen durch die Gestapo.
  • Vor allen der Einsatz gegen den Krieg ist heute wieder bitter nötig: Deutsche Soldaten sind in 15 Länder dieser Welt im Einsatz.
  • Deshalb: Ihr Geist lebt trotzdem weiter!