helMUTh hÜBENer. So schreibt sich der Name der Stadtteilschule in Hamburg-Barmbek neuerdings

geschrieben von Ulrich Sander

26. Oktober 2011

Ich gratuliere Ihnen und Euch sehr herzlich zur neuen Namensgebung der Schule am Benzenbergweg.Als ich zum ersten Mal von Helmuth Hübener hörte, war ich so alt wie er war, als er begann, seine Flugblätter zu schreiben. Also 16 Jahre, so alt wie viele von Euch Schülerinnen und Schülern.

Ich las das Todesurteil vom 11. August 1942 in einem Heft, das ein Mitstreiter meiner Lehrerin Lisa Niebank, die im Widerstand war, herausgegeben hat. Das Urteil hatte er, der Journalist Franz Ahrens, in den Wiedergutmachungsakten gefunden. Das Urteil hat mich sehr beeindruckt. Die Nazirichter schilderten darin sehr genau die große Widerstandsleistung und den Mut wie die Klugheit Helmuth Hübeners. Er war ein so gefährlicher Feind für sie, dass sie ihn zum Tode verurteilten. Er war mit 17 Jahren ihr jüngstes Opfer.

Wir haben dann in der Geschwister Scholl Jugend Hamburg, einer Jugendgruppe von Kindern von NS-Verfolgten und Widerstandskämpfern, darüber gesprochen. 1960 bildeten wir eine Arbeitsgruppe, um Kurzbiographien junger Widerstandskämpfer zu verfassen. Ich übernahm es, über Helmuth Hübener zu schreiben. Es begann eine Spurensuche, die nun schon über fünfzig Jahre währt.

Ich habe Lehrer und Mitschüler, Geschwister und Mitkämpfer Hübeners interviewt, und fand zusammen mit Franz Ahrens Material über die Kontakte Hübeners zu jungen Arbeitern in Altona, die aus kommunistischen Familien kamen. Als diese sämtlich in die Wehrmacht eingezogen worden waren, machte Hübener allein weiter: Er hörte Auslandssender ab. Bald ging er einen Schritt weiter, er verbreitete die Nachrichten schriftlich mit vielen Dur´chschlägen.

Ich schrieb namens unserer Jugendgruppe Briefe an viele Leute und Institutionen, von denen wir uns Hilfe erhofften: „Wir sind der Ansicht, daß Hübeners Tat gegen Krieg und Faschismus sicher genauso bemerkenswert ist, wie die der `Weißen Rose‘. Wie die Münchener Studenten fand auch er, der 17jährige Hamburger Junge, der anfangs selbst begeistert in der HJ mitmachte, zu den Idealen der Menschlichkeit und verteidigte diese inmitten einer Welt der Gewalt und des Krieges. Sein Handeln ist heute fast vergessen. Keine Straße wurde nach ihm benannt, kein Stein wurde ihm gesetzt, kein Buch für ihn geschrieben. Was in unseren Kräften steht, wollen wir tun, damit der Mantel des Vergessens sich nicht ganz über ihn und jene Zeit ausbreitet, damit der heutigen Jugend ein Vorbild erhalten bleibt, welches endlich den Weg weist zu einer Zukunft des Friedens und der Menschlichkeit. Bitte helfen Sie uns dabei.“ Soweit unser Brief.

Manche halfen und manche auch nicht, eher nicht. Und das Buch wurde geschrieben, zwei Straßen in Hamburg nach ihm benannt. Und nun diese Schule! Und dies Lesebuch! (Es erscheint im Dezember mit einem Abschnitt über „Widerstand“ und „Hübener“ in der Reihe doppel-klick bei Cornelsen)

Damals las ich die „Reportage unterm Strang geschrieben“ von Julius Fucik, dem Prager Journalisten und Widerstandskämpfer, den die Nazis – wie Helmuth – in Plötzensee ermordeten. In seiner insgeheim in Gestapohaft geschriebenen Reportage heißt es an einer Stelle: „Die ihr diese Zeit überlebt, vergeßt nicht. Vergeßt die Guten nicht und nicht die Schlechten. Sammelt geduldig die Zeugnisse über die Gefallenen. Ich möchte, daß man weiß, daß es keine namenlosen Helden gegeben hat. Sucht euch wenigstens einen von ihnen aus und seid stolz auf ihn.“ Ich suchte mir Helmuth Hübener als einen solchen Menschen aus. Und nun habt Ihr es auch getan.

Drei lange Jahre dauerte es, bis ich Helmuths Akten kennenlernen durfte. Die Behörden in Hamburg und in Berlin/West, wo die Akten lagerten, weigerten sich zu helfen. Es war die Zeit, da hohe Nazis noch in allen Ämtern saßen. Da war man nicht daran interessiert, dass Namen bekannt würden – nicht von Opfern, schon gar nicht von Tätern. Einen Teil der Akten besorgte das Komitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer aus Beständen der DDR. In Hamburg aber redeten die Behörden sich darauf raus, daß die Geschwister Scholl Jugend nicht „anerkannt“ sei. Ein Amtsrat Bugdahn vom Personalamt des Hamburger sagte mir, die dortige Hübener-Akte sei „top secret“. Die Behandlung unserer Jugendgruppe als „extremistisch“, löste den Protest des Vaters der Geschwister Scholl, Oberbürgermeister i.R. Robert Scholl, aus. Dieses Vorgehen, so schrieb er uns, „zeigt, daß die restaurativen Kräfte aus dem Dritten Reich sich wieder überall regen dürfen und salonfähig geworden sind. Desto wichtiger ist es, daß Sie die Jugend … darüber aufklären, was heute schon wieder gespielt wird und sie dabei zu selbständigem, kritischem Denken erziehen.“

Ich gab nicht auf, beschaffte mir Akteneinsicht. Aber das war schwierig. Es war nicht erwünscht. Das was uns viele Ältere und viele aus Helmuths Generation immer wieder sagten: Man konnte nichts wissen und nichts tun! das wurde von Helmuth und seinen Freunden widerlegt. Allerdings zeigte ihr Schicksal auch, welche Gefahr jenen drohte, die sich wehrten. Deshalb ist für uns eine Lehre aus jener Zeit auch immer gewesen: Es gilt, sich rechtzeitig gegen alte und neue Nazis, gegen die Beseitigung der Demokratie zu wehren, damit das sich Wehren nie mehr lebensgefährlich.

Helmuth Hübener ist sehr aktuell. Er hatte in Flugblättern gewarnt: „Zu Tausenden wird Hitler Eure Frauen und Kinder zu Witwen und Waisen machen, und der von Hitler begonnene Bomberkrieg wird unzähligen Deutschen das Leben kosten.“ Die da Hübeners Flugblätter 1941 und 1942 bei der Polizei abgaben und ihre Nachbarn verdächtigten, sie geschrieben zu haben, sie lebten zumeist 1943 nicht mehr. 35.000 Menschen aus Hamm, Hammerbroock und Rothenburgsort starben in einer Nacht ein knappes Jahr nachdem das Urteil gegen Hübener vollstreckt worden war. Wenn wir heute durch diese Stadtteile gehen,

finden wir an fast jedem Haus die Tafel „Zerstört 1943, wiederaufgebaut 195..“ Auf mich wirken diese zahllosen Tafeln wie ein einziges großes Antikriegsdenkmal. Die Summe dieser Tafeln bestätigt die Warnung Hübeners.

Eine weitere Mahnung von Helmuth Hübener ist heute aktuell: „Wenn alles sich rührt, haben die Nazis auskalkuliert,“ heißt es einem Gedicht von ihm, das eben auch vorgetragen wurde. Daher meine ich, es gilt sich gegen neuen Ungeist, neue Nazis, neuen Rassismus, neue Kriege zu rühren. Damit nie wieder ein so großer Mut zum sich Wehren notwendig wird, wie zu Helmuth Hübeners Zeiten, muß jetzt gehandelt werden. In seinem Sinne müssen wir wachsam sein.

Hans Frankenthal-Preisverleihung 2011

geschrieben von Antje Kosemund

19. Oktober 2011

Wir dokumentieren hier die Laudatio für die Fangruppe Ultra St. Pauli

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

Liebe Preisträger des diesjährigen „Hans-Frankenthal-Preises!

In Kürze bin ich 83 Jahre alt, ausgerechnet mich hat man gebeten, die Laudatio für die Fangruppe Ultra St. Pauli zu halten. Diese Gruppe ehren wir heute mit dem „Hans-Frankenthal-Preis“ für ihre Initiative, einen Zusammenschluss von Fangruppen mehrerer Fußballvereine zu gründen.

Bei Fußball denke ich an Lärm, an Menschen deren Sprechchöre meist nicht zu verstehen sind. Ich sehe alkoholisierte und grölende Männerhorden vor mir, Männer die Bier trinken, Fäuste recken und heftig diskutieren.

Vor zwei oder drei Jahren war es, da zeigte sich mir ein völlig anderes Bild, als ich die Einladung zu einem Antifaschistischen Fußballturnier erhielt, eine Einladung von der Gruppe Ultra St. Pauli, die mir bis dahin unbekannt war. Auf dem Sportplatz in Schnelsen tummelten sich junge Menschen.

Jungen und Mädchen, Teenager im Alter von zehn bis zwanzig Jahren spielten auf mehreren Feldern Fußball. Es herrschte eine fröhliche, entspannte und solidarische Stimmung, die sich in vielen Sprachen äußerte. Überall hingen Transparente, auf denen in verschiedenen Sprachen Inschriften mit Antifaschisten, Antirassistischen Inhalten zu lesen waren. Es war das Gegenteil von dem, was uns die Fernsehbilder oft von Spielen der Bundesliga zeigen.

Seit Jahren war in den Fußballstadien eine Veränderung zu spüren, was dazu führte, dass Spieler mit dunkler Hautfarbe beschimpft und beleidigt wurden. Spieler, die aus irgendeinem Grund unbeliebt waren wurden als „Schwule, als Juden „ angepöbelt. Neofaschistische Gruppen versuchten, in Fangruppen ihre menschenverachtenden, rassistischen Ideen zu verbreiten.

Diesen Tendenzen, aber auch der Gewaltbereitschaft der Neonazis, gegen Migrant /innen, Homosexuelle, gegen Antifa- oder andere Fangruppen musste unbedingt Widerstand entgegen gesetzt werden.

Soweit es mir bekannt ist, waren es die St. Pauli Fans und ihre Freunde, die damit den Anfang machten, sie stellten Aufkleber und Buttons mit antifaschistischen Sprüchen her, die sie verkauften oder weitergaben und lenkten damit die Aufmerksamkeit auf das üble Treiben der Rechten.

Überall in der Stadt sah man plötzlich Aufkleber, die besagten: „Wir Fußballfans sind gegen Nazis.“

Der Gruppe Ultra St. Pauli ist es gelungen in wenigen Jahren Fangruppen aus vielen europäischen Ländern zusammen zu führen, deren Anspruch über den Spaß am Fußballspiel weit hinausgeht. Die Mitglieder dieser Fangruppen stehen in Gegnerschaft zu denen, die versuchen, mit rassistischen, menschenverachtenden Parolen, andere Menschen zu gewinnen und zu überzeugen. Darüber hinaus ist Ultra St. Pauli bemüht, die Mitglieder der Fangruppen in ihrer antifaschistischen Haltung durch politische und historische Bildungsarbeit zu stärken und zu unterstützen.

Die Idee der Antifaschistischen Turniere finde ich großartig! Hier steht die Begegnung der Menschen und deren Freundschaft im Vordergrund .

Hier wird Kindern und Jugendlichen ein Raum gegeben, in dem sie erleben, wie Fußball ohne Gewalt gegen andere Fans, ohne Stimmungsmache gegen Linke, gegen Migrant/innen, Homosexuelle und Andersdenkende Spaß machen kann. Und sogar sehr viel Spaß!!!

Im Jahre 2007 wurde im Rahmen des Antirassistischem Fußballturniers das Alerta-Netzwerk gegründet, ein Zusammenschluss dem mittlerweile fünfzehn Fangruppen aus Europa und aus Israel angehören. Das Netzwerk hält den Kontakt zwischen den Gruppen und ihnen die Möglichkeit zu gemeinsamen Aktionen.

Das Netzwerk wichtig geworden, weil politisch engagierte junge Menschen die Notwendigkeit gesehen haben, der Stimmungsmache gegen Linke, gegen Migrant/innen, Homosexuelle und Andersdenkende entschieden entgegen zu treten.

Damit haben diese jungen Menschen die Aufgabe übernommen, die von Politik und zuständigen Behörden nicht oder nur unzureichend wahrgenommen wird, nämlich den neofaschistischen Tendenzen eine energische Abfuhr zu erteilen.

Ultra St. Pauli ist maßgeblich an dem Aufbau und an der Organisation des Alerta-Netzwerks beteiligt, des Weiteren plant Ultra St. Pauli eine Homepage des Alerta-Netzwerks zu erstellen, um neben anderen Möglichkeiten, für neue Interessierte einen Zugang zu den anderen Mitgliedergruppen zu schaffen.

Zitat aus der Beurteilung zur Gruppe Ultra St. Pauli: zur Begründung des Stiftungsrates der Preisvergabe an USP folgendes Zitat:

Seit fast zehn Jahren engagieren sich Ultra St. Pauli, aber auch andere Gruppen des Netzwerks in ihren Stadien antifaschistisch und antirassistisch. Das Netzwerk selber hat mit fast fünfjähriger Arbeit Kontinuität bewiesen. Gerade in Umfeld von Fußballspielen sind viele, vor allem jüngere Menschen anzutreffen, die durch herkömmliche antifaschistische Öffentlichkeitsarbeit nicht erreicht werden. Mit der Vergabe des Hans-Frankenthal-Preises an Ultra St. Pauli für ihre Arbeit im Alerta-Netzwerk wird eine Gruppe unterstützt von der zu erwarten ist, dass auch in Zukunft Antifaschismus, Antirassismus und Antisexismus einen festen Platz im Fußballstadion haben.

Wir freuen uns, dass wir euch den Hans-Frankenthal-Preis 2011 überreichen können!

Internationaler Gedenktag für die Opfer von Faschismus und Krieg

geschrieben von Georg Chodinski

10. September 2011

Am Sontag, dem 11. September 2011, trafen sich bei strahlenden Sonnenschein Kameradinnen und Kameraden im Ehrenhain der Hamburger Widerstandskämpfer 1933-1945 auf dem Ohlsdorfer Friedhof zu einer Gedenkveranstaltung. Im folgenden dokumentieren wir den Redebeitrag von Georg Chodinski, Landessprecher der VVN-BdA

Viele kamen an diesem zweiten Sonntag im September, doch einer fehlte in unserer Runde: Der Redner. Die Plastik, geschaffen von Richard Steffen, gibt 1968 dem damals neu gestalteten Ehrenhain ein Sinnbild, das uns im März dieses Jahres gestohlen wurde. Doch dank Anne Harden ist uns das Bild gegenwärtig geblieben. Sie fertigte eine kunstvolle Zeichnung an, die als Platzhalter am heutigen Gedenktag die verwaiste Stehle schmückt.

Der Redner verkörpert für die Widerstandskämpfer wichtige Werte. Er steht für Innere Festigkeit, Lauterkeit des Anliegens und die Übermittlung einer Botschaft;„Überzeugungsarbeit sei für den deutschen Widerstand charakteristisch gewesen“, hält Ursel Hochmuth in ihrer von uns geschätzten Dokumentation „Niemand und nichts wird vergessen“ fest. Das sind Werte, in deren Tradition die VVN-BdA auch heute steht.

„Einer Tradition treu zu sein, bedeutet, der Flamme treu zu sein und nicht der Asche“. Diese Worte hat uns der Kriegsgegner Jean Jaurès hinterlassen. Der Gedenktag am zweiten Sonntag im September hat eine lange Tradition. Gleich am 9. September 1945 fand in Berlin eine große Demonstration und Versammlung statt, mit der die Überlebenden voller Trauer und Wut dem Tod und Leid ihrer Angehöriger, Freund und Mitkämpfer erstmalig gedachten.

Und heute 66 Jahre nach dem Ende des Naziregimes? Der Schwur von Buchenwald ist nach wie vor nicht erfüllt. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln, wir sind weit entfernt davon. Deshalb lautet unser Auftrag nach wie vor „die Flamme am Brennen halten“.

Wozu mahnen uns die im Ehrenhain begrabenen Opfer? Stellvertretend dafür soll hier Fiete Schulze zu Wort kommen. Er schreibt am 12. Mai 1935 den Tod vor Augen an sein „Schwesterlein“: „Dank für Deine Zeilen. Warum aber so kleinmütig? Du haderst mit den Verhältnissen, die Dir den Bruder nehmen. Warum willst Du nicht verstehen, dass ich dafür sterbe, dass viele nicht mehr einen frühen und gewaltsamen Tod zu sterben brauchen? Noch ist es nicht so, doch hilft mein Leben und Sterben es bessern. Es kann und darf nicht Eure Aufgabe sein, mein Sterben zu bejammern, denn nur dann – wenn Ihr es bejammert – ist es nutzlos und verfehlt. Voll erfüllt es seinen Zweck, wenn Ihr es ganz verstehen lernt. Darin kann sich all Eure Liebe und Achtung zu mir zeigen: im Verstehen und Bemühen, gleich mir zu denken und zu handeln.“

Was können uns heute am 11. September 2011 die Worte von Fiete Schulze bedeuten? Der 11. September mahnt uns in vielerlei Hinsicht.

Sicherlich sehen wir da die Toten von New York, aber noch mehr die Opfer, die Folter und Mord in den Kriegen gegen die Menschen im Irak und Afghanistan brachte.

Der 11. September ist aber auch der Tag, an dem das Militär in Chile putschte und der Todestag Salvador Allendes. An diesem Tag wurden eine Demokratie und die Freiheit der Menschen vernichtet. Stattdessen zog Angst, Folter und Mord ein.

Und wie steht‘s im inneren unserer Republik? Die NPD ist nach wie vor nicht verboten und wurde am 4. September in Mecklenburg-Vorpommer erneut in den Landtag und in die Kreistage gewählt. In manchem Orte mit mehr als 30 % der abgegebenen Stimmen.

Es sprießen neue nationalistische Parteien wie Pilze aus dem Boden, deren Meinungsbild nett mit Rechtspopulismus umschrieben wird, sei es Pro Deutschland, Die Freiheit oder Pro Köln.

Die demokratischen Freiheitsrechte werden in dieser Republik immer mehr beschränkt. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Flüchtlinge werden außer Landes transportiert, egal was sie in der Zielregion erwartet.

Kurz: Die Biedermänner haben weiterhin Saison und es werden wieder oder immer noch sehr freiwillig Streichhölzer ausgeteilt.

Und doch, da regt sich auch anderes. Kurz vor der Wahl Mecklenburg-Vorpommern ließ z. B. Hotelier Plakate gegen NPD drucken „Wählt keine Nazis“.

Demonstrationen und Aktionen gegen Naziaufmärsche, wie in Dresden oder Wunsiedel werden erfolgreicher. Es wird oft verhindert, dass öffentliche Räume der NPD oder anderen rechtspopulistischer zur Verfügung stehen. Und trotz des Wahlergebnisses in Mecklenburg Vorpommern, in vielen anderen Wahlen dieses Jahres blieb die NPD erfolglos.

Und vielleicht macht es uns ja Mut. Die Parteien des Berliner Abgeordnetenhauses haben im Juni 2011 einen „Berliner Konsens“ vereinbart. Sie erklärten: „Im Wahlkampf werden wir gemeinsam Rassismus, Populismus und Rechtsextremismus die Rote Karte zeigen und gegen die diskriminierenden Positionen rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien Stellung beziehen.“

Ob Fiete Schulzes das gefallen hätte, weiß ich nicht, aber gereicht hätte es Ihm wohl nicht.

Was fehlt, ist mehr konkretes Handeln. Dazu gehört natürlich ein Verbot der NPD. Auch hätte es der am „Berliner Konsens“ beteiligten SPD gut zu Gesicht gestanden, sich zu trauen, einen Sarazin aus der Partei auszuschließen oder seine Spende in Höhe von 5.000,00 € zurückzugeben.

Doch damit ist es nicht getan, vor allem nicht so einfach. Die Bürgermeisterin aus dem Ort Koblentz in Mecklenburg Vorpommern, in dem die Rechtsextremen über 30 % Stimmenanteil erhielten, sieht viele andere Ursachen: Zu wenige ausreichende oder gar gerechte Einkommen; keine an den Bedürfnissen der Menschen hinreichend ausgerichtet Infrastruktur, wenig Kulturangebote und, und..

Vor allem, die Politiker des Landes bleiben unsichtbar, kümmern sich nicht persönlich spürbar. Die Menschen werden allein gelassen mit ihren Problemen und damit den „netten brauen“ Nachbarn überlassen.

Wilma Giffey berichtet über Fiete Schulze, ihren Vater: „Seine Parole war: Nicht schlagen, überzeugen! Meint Ihr, das wäre schon ein Klassenfeind, weil er die SA-Jacke angezogen hat? Nein Genossen, in diesem Jungen kann ein prachtvoller, ehrlicher Revolutionär stecken. Er weiß nur nichts von der Welt. Man hat ihn auf einen falschen Weg gelockt. Ihr wisst Bescheid! Bringt ihn auf den richtigen! Das ist Heldentum! Schießen ist keins.“ Also halten wir die Flamme am Brennen, so wie es an der Mauer des Ehrenhains von Julius Fucik geschrieben steht:

„Menschen, ich hatte Euch lieb. Seid Wachsam!“

Wir erinnern heute an den 1.September 1939

geschrieben von Steffi Wittenberg

31. August 2011

Rede von Steffi Wittenberg zum Anti-Kriegstag in Hamburg am 1. September 2011 (es gilt das gesprochene Wort)

Wir erinnern heute an den 1.September 1939, den Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen. Ich war 13 Jahre alt, lebte mit meiner Mutter noch in Hamburg, während mein Vater und mein Bruder aufgrund der Verfolgung der Juden bereits vor fast einem Jahr nach Montevideo, Uruguay geflohen waren. Unsere für Dezember 1938 geplante Ausfahrt war geplatzt, weil die urugu¬ayische Regierung unsere Einreisevisa für ungültig erklärt hatte. Wir waren also am 1. September 39 noch in Hamburg und erfuhren vom Überfall auf Polen. Meine Mutter war entsetzt und meinte, jetzt kommen wir nicht mehr aus Deutschland heraus, wir Juden werden alle umgebracht. Ich tröstete sie, aber in mein Tagebuch hatte ich eingetragen: „Heute hat der Führer die Wehrmacht zu den Waffen gerufen, ausgerechnet an Tante Gretes Geburtstag.“ Natürlich war mir die Tragweite des Krieges bewusst, aber den Geburtstag meiner Lieblingstante hätte ich doch allzu gern gefeiert. Schon am 30. Januar 1933, als Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, befürchtete meine Mutter, dass die Juden alle ermordet würden. Wir hatten gerade noch rechtzeitig Glück: Ende Dezember 1939 konnten wir mit einem gültigen Visum nach Uruguay ausreisen. In Europa nahm der Blitzkrieg seinen Verlauf und forderte viele Menschenleben: In Polen, Holland, Belgien, Dänemark, Frankreich und ganz besonders wüteten die Faschisten in den Städten und Dörfern der Sowjetunion. Es wurde ein Krieg der verbrannten Erde,, als dann vor 70 Jahren am 22. Juni 1941 die deutsche Wehrmacht ihren Rußlandfeldzug begann. Seitdem gehörte auch die Sowjetunion zu den alliierten Streitkräften, die den Hitlerfaschismus bekämpften.

In Uruguay lasen wir die Kriegsberichte aus der Sicht der Alliierten in den Zeitungen und sahen englische, amerikanische und auch sowjetische Wochenschauen über die Gräueltaten der Invasoren. Kurt Wittenberg, jüdischer Exilant aus Ostpreußen, mit dem ich nun schon 63 Jahre verheiratet bin, war in Uruguay aktiv im Deutschen Antifaschistischen Komitee, das sich später der Bewegung Freies Deutschland anschloss. Freunde und Freundinnen des Komitees sammelten Gelder, strickten Wollhandschuhe, die für die Rote Armee bestimmt waren.

Für jeden historisch Denkenden bleibt es die Frage aller Fragen. Wie kam es, dass ein zivilisiertes fortgeschrittenes Volk wie das deutsche, etwas so Barbarisches wie die Entrechtung, Vertreibung und Ermordung von Juden hinnehmen und ins Werk setzen konnte? Wie kam es zum industriellen Massenmord von 6 Millionen Juden, von 500.000 Sinti und Roma, wie kam es zur Euthanasie, zum Mord und Verfolgung von Christen, Sozialisten, Gewerkschaftern, Zeugen Jehovas, von Andersdenkenden,und zur Akzeptanz der Rassenideologie? Wieso gab es für die deutschen Verbrechen so viele Kollaborateure in den zahlreichen besetzten Ländern, aus den verschiedenen Nationen? Der in der Illegalität kämpfende Opposition, bestehend aus Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen und auch Juden gelang leider keine Wende, nein, wie erwähnt, sie wurden selbst Opfer. Stellvertretend nenne ich hier den 17jährigen Hamburger Verwal-tungslehrling Helmuth Hübener, der parteilos, aus einem Arbeiter-elternhaus stammend, 1941 durch einen englischen Radiosender die Grausamkeiten des Rußlandfeldzuges mitbekam. Er tippte auf der Schreibmaschine mit Durchschlägen Flugblätter gegen den Krieg und verteilte sie mit Freunden. Er wurde 1942 von seinem Vorgesetzten entdeckt und verraten und vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Am 27. Oktober 1942 wurde er in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Seit wenigen Tagen trägt die Schule Benzenbergweg in Barmbek den Namen „Stadtteilschule Helmuth Hübener“.

Viele Nazianhänger in Deutschland hatten ihr Elend erst zum Kriegsende empfunden, als auf die eigenen Städte die Bomben der Alliierten fielen und als viele Deutsche aus deutschen oder auch besetzten Gebieten fliehen mussten, und als die eigene Versorgung knapp wurde. Selbst als schon zahlreiche deutsche Soldaten gefallen waren, gab es noch ein lautes JAA auf Goebbels Frage „Wollt Ihr den totalen Krieg?“ . Der Schrecken und die Angst waren dann groß, als die Rote Armee deutschen Boden betrat und die deutsche Bevölkerung nicht gerade mit Samthandschuhen anfasste. Noch heute berührt es viele Deutsche nicht, was zuvor die Wehrmacht, die SS der sowjetischen Bevölkerung und vielen anderen Völkern angetan hat. Und wie viele Verbrechen deutscher NS-Täter ungesühnt geblieben sind und wie viele von ihnen wieder in wichtige Ämter berufen wurden. .(Heinz Reinefahrth, der „Schlächter von Warschau“, mitveranwortlich für den Tod von 15.000 Juden des Warschauer Ghettos, am Kriegsende SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei, wurde von einem Hamburger Gericht mangels Beweisen freigelassen und war nach dem Krieg 15 Jahre (1951-1964) Bürgermeister von Westerland auf Sylt).

Ich lebe mit meinem Mann seit 1951 wieder in Deutschland – in Hamburg, meiner Heimatstadt. Als wir ankamen, haben uns ehemals Verfolgte – die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – geholfen uns wieder einzuleben. Wir wohnten zunächst bei einer Familie, deren Sohn in Rußland gefallen war. Als wir auszogen, eine eigene Wohnung bekamen, hatten wir einen kleinen Disput wegen der Miete. Eine gemeinsame Bekannte berichtete uns dann, dass die Familie sehr böse auf uns war und gesagt hatte: „Die Juden werden schon wieder frech“.

Wir erlebten die Wiederaufrüstung, den Kampf um die Stationierung der Pershing-Raketen, den Kalten Krieg, der die Welt praktisch an den Rand eines Atomkrieges brachte. Die VVN kümmerte sich nicht nur um die Entschädigung für die NS Verfolgten, Sie sah es als ihre wichtige Aufgabe an, den alten und neuen Nazis entgegenzutreten. Heute leben wir mit einer legalen NPD, Neonazis, die unter Polizeischutz ihre Kundgebungen realisieren und nur ab und zu aus taktischen Gründen auf einen anderen Platz ausweichen müssen,

Im Berliner Wahlkampf plakatierte die NPD jüngst groß in der Nähe des Holocaust Mahnmals und des jüdischen Museums den fatalen Slogan „Gas Geben“. woraufhin der Präsident des Zentralrats der Juden Dieter Graumann seine Forderung auf NPD Verbot erneuerte. Wir die VVN warten schon lange vergeblich darauf, dass diese Partei verboten wird. Wir leben in einer alles andere als friedlichen Welt: Deutsche Soldaten befinden sich und sterben auch schon in Afghanistan, Fregatten befinden sich am Horn von Afrika zur Observierung und Bekämpfung der Piratenschiffe, wir liefern U-Boote nach Israel, Panzer nach Saudiarabien, und allerlei Rüstungserzeug-nisse in Krisengebiete. Und jetzt tauchen in libyschen Waffenbeständen auch noch deutsche Gewehre auf.

Gebraucht werden aber Mittel, die den Hunger bekämpfen. Der Papst hat bei seinem Besuch Spanien einen wahren Satz gesagt, den ich doch gern wiederholen möchte: „Wir müssen umdenken in der Wirtschaft: der Mensch muss im Mittelpunkt stehen und nicht der Profit.“ Wir jammern um die Börse, um die Schuldenkrise und alle sollen sparen. Ich denke wir sollten bei der NATO anfangen, deren Bomben -etat nicht niedrig sein dürfte, sie will dadurch Zivilisten schützen, aber vor kurzem, einigen spärlichen Informationen zufolge, ist sie gekenterten libyschen Flüchtlingen nicht zu Hilfe geeilt.

Ich spreche mich aus geschichtlichen und humanitären Gründen vehement gegen Abschiebungen aus, an denen sich auch Hamburg beteiligt.. Und weil ich ein Fan von Multikulti bin: das macht unsere Stadt bunt und interessant. Wir können alle voneinander lernen und vielleicht einmal in Frieden ohne Angst vor materieller Not, ohne Rassismus und Antisemitismus, würdig und gebildet, in Lohn und Brot und klimageschützt miteinander leben.

Im Artikel I der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 heißt es: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“

Diese Welt muss doch Wirklichkeit werden.

vermisst wird…

28. August 2011

Die Bronzefigur „Der Redner“ wurde vom Ehrenhain der Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten gestohlen.

Die Plastik wurde 1968 von dem Künstler Richard Steffen geschaffen und zeigt die Figur eines gehenden Mannes. Bis heute ist die Plastik nicht wieder gefunden worden. Deshalb! Wer was über den Verbleib oder die Umstände des Diebstahls berichten kann, den bitten wir die Friedhofsverwaltung, die VVN-BdA Hamburg oder die Polizei zu informieren .

Gedenken an Blankeneser Juden

geschrieben von hjm

27. August 2011

Am 17. Juli wurde der Blankeneser deportierten Jüdinnen und Juden gedacht.

Bei einem Gottesdienst in der Blankeneser evangelischen Kirche wurden die Namen der mindestens 46 Menschen verlesen, die in Theresienstadt, Neuengamme, in den Gettos Osteuropas, in Auschwitz und anderen Vernichtungslagern umgekommen sind. Sieben von ihnen hatten sich vor der Deportation das Leben genommen. Dann gab es eine Feierstunde am Eingang zur Villa Grotiusweg 36. Dieses damals recht heruntergekommene Haus, das eigentlich schon abgerissen werden sollte, wurde von den Nazis im Krieg als „Judenhaus“ deklariert. Juden, die nicht mehr bei „arischen“ Hauseigentümern wohnen durften, wurden genötigt, in solche „Judenhäuser“ umzuziehen. Allein hier wohnten siebzehn der 46 deportierten Jüdinnen und Juden. Die letzten neun wurden am 19. Juli 1942, also vor knapp 69 Jahren, nach Theresienstadt abtransportiert. Extra aus Schottland angereist war Frau McDonnell, Enkelin von Olga Babette Arnthal, die ebenfalls in der Villa wohnte und im Dezember 1942 in Theresienstadt den Tod fand. Sie selbst emigrierte als zweijähriges Mädchen 1939 mit ihren Eltern nach Großbritannien und entging so der Schoah. Die Villa hat eine interessante Geschichte. 1933 wurde sie Hachscharah. Junge Leute mit religiös-sozialistischer Orientierung lernten Hebräisch und bereiteten sich auf die Auswanderung nach Palästina und auf die Arbeit in einem Kibbuz vor. Sie wollten mit der arabischen Bevölkerung friedlich zusamnmenleben, ein Ziel, so ein Sprecher, das heute so aktuell wie damals und leider immer noch nicht erreicht sei. Später diente das Haus als Erholungsheim, bevor es von der Stadt Hamburg kassiert wurde und als „Judenhaus“ diente.

Kundgebung gegen rechte Gewalt

geschrieben von Hans-Joachim Meyer

27. August 2011

Am 9. Juli fand in Buchholz (Kreis Harburg) auf Einladung der Linksjugend Solid eine Kundgebung gegen neofaschistische Gewalt statt.

Knapp hundert Leute protestierten gegen mehrere Übergriffe gegen Buchholzer Antifaschisten. So wurde der 18-jährige Torge Rau, Kandidat der Linkspartei für den Kreistag, im Juni von einem Neonazi mit dem Messer angegriffen. Auch ein Bekannter von ihm wurde von dem gleichen Neonazi mit Pfefferspray und Schlägen traktiert. Der Täter stammt aus der Tostedter Szene. Hier in Todtglüsingen gibt es den einschlägigen Szeneladen „Streatwear“, der von einem wegen Totschlags vorbestraften Neonazi geführt wird. In beiden Fällen wurde Strafanzeige gestellt. Unterstützt wurde die Kundgebung von der Antifaschistischen Aktion Lüneburg-Uelzen. Deren Redner berichtete, dass der Landkreis Harburg, was Nazi-Gewalt betrifft, inzwischen die Spitze in ganz Niedersachsen einnimmt. Schuld daran trügen auch die Behörden des Landkreises. Antifaschisten würden bei jeder Gelenheit schikaniert und aus den Jugendeinrichtungen gedrängt. Neonazis dagegen habe man versucht, durch ein fragwürdiges Streatwork-Projekt zu „zähmen“. Das erwies sich als völliger Fehlschlag, denn die Nazis nutzten dieses Projekt, um Anhänger zu rekrutieren. Sogar bundesweit bekannte Kader wie Christian Worch und Thomas Wulff ließen sich dort blicken. In der Folge gab es Angriffe ganz neuer Qualität. Neonazis griffen Antifaschisten in deren Wohnungen an und verletzten sie. Aber es gebe Anzeichen, so der Redner, dass dem ultrarechten Treiben Einhalt geboten werden kann. In Tostedt habe sich inzwischen eine lebendige Antifa-Szene entwickelt.

Neofa-Ausstellung in der Südkurve

4. Juli 2011

Schon einige Male erhielten wir Einladungen vom Fanladen des FC St. Pauli, so anlässlich eines internationalen Antirassismus- Turniers oder zu Gedenkkundgebungen bei der Tafel, die der FC St. Pauli vor einigen Jahren für alle St. Paulianer NS-Opfer und Verfolgten gestiftet hatte.

Deshalb waren wir guten Mutes, dass unser Angebot, unsere Neofaschismus- Ausstellung auf dem Vereinsgelände zu zeigen, nicht auf taube Ohren stoßen würde. Die Fan-Leute waren davon absolut begeistert und beschlossen, die Ausstellung auf ihrem Südkurven- Sommerfest am 28. Mai zu zeigen. Natürlich ließen wir es uns nicht nehmen, die Ausstellung selbst aufzuhängen. Zu unserer Erleichterung stellte dies kein sonderliches Problem dar. Die Leute vom Fan-Laden halfen uns nach Kräften, und noch beim Arbeiten kamen Besuchern, um sich die Ausstellung anzusehen. So viel Interesse war selten und erfreute uns umso mehr! Als die Ausstellung glücklich hing, gab es dazu auf der Festbühne noch ein kurzes Interview, auch über die guten Beziehungen zwischen der VVN-BdA und dem FC St. Pauli. Danach schickten uns die St. Paulianer wunderschöne professionelle Fotos von der Ausstellung und ihren Besuchern. tsy

Hommage an Sylvin Rubinstein

4. Juli 2011

Die VVN-BdA Hamburg führt seit mehreren Jahren in Kooperation mit dem Kommunalen Kino Metropolis eine monatliche Filmaufführung unter dem Titel »Täter – Opfer – Widerstand« durch. Im Laufe der Zeit wurden unsere Vorstellungen immer besser besucht, jedoch hätten wir nie damit gerechnet, einmal 131 Besucher zu empfangen.

Schon lange hatten wir geplant, am 10. Mai den Film »Er tanzte das Leben« zu zeigen. Er beschreibt das Leben von Sylvin Rubinstein, Jahrgang 1913, einem polnisch-russischen Tänzer, der in den 30er-Jahren zusammen mit seiner Zwillingsschwester Maria als international bekanntes Flamenco-Tanzpaar Dolores & Imperio durch die Welt tourte. Der deutsche Überfall auf Polen setzte dem ein Ende, denn Sylvin und Maria waren Halbjuden. Maria und auch die Mutter der Zwillinge wurden Opfer der Faschisten. Sylvin bekam Kontakt zu einem Kreis deutscher Militärs, die aktiv gegen die faschistische Diktatur kämpften, Partisanen unterstützten und jüdische Menschen verstecken halfen. Er beteiligte sich an spektakulären Vergeltungsaktionen, zuerst in Polen und später als Zwangsarbeiter in Berlin. Nach dem Krieg, als er sich eingestehen musste, dass seine Schwester Maria nicht zurückkommen würde, trat Sylvin wieder als Tänzer auf, allerdings nahm er die Rolle seiner Schwester, der Dolores, an und tanzte als ihr lebendes Denkmal viele Jahre in deutschen und europäischen Varietés. Sylvin Rubinstein lebte seit den 50er Jahren in Hamburg und wollte eigentlich zu unserer Filmvorführung kommen. Leider starb er zehn Tage vorher, am 30. April 2011, im Alter von fast 98 Jahren. Der Film basiert auf einem Buch von Kuno Kruse »Dolores & Imperio«. Kuno Kruse war bei unserer Filmvorführung anwesend und erzählte von seiner Freundschaft mit Sylvin Rubinstein. Den VVN-Gruppen sei empfohlen: Ihr solltet den Film unbedingt zeigen. Er bewegt Menschen aller Altersklassen. tsy

Hamburger Roma-Familien droht Abschiebung

geschrieben von Hans-Joachim Meyer

4. Juli 2011

80 Hamburger Roma-Familien droht die Abschiebung nach Serbien oder Mazedonien. Großteils wohnen sie in einem Getto in Billstedt inmitten eines Gewerbegebietes. Im ganzen Bundesgebiet sind rund 5000 Roma von drohender Abschiebung betroffen.

Das Ganze ist ein Kuhhandel zwischen Berlin und Belgrad. Die serbische Regierung hat sich bereit erklärt, die Roma aufzunehmen. Im Gegenzug sollen EU-Fördergelder fließen. Der Hamburger Flüchtlingsrat und die Fraktion der LINKEN haben gegen diese Praxis heftig protestiert. Einige Familien haben sich jetzt mit Hilfe des Flüchtlingsrats an den Petitionsausschuss der Bürgerschaft gewandt. Sie hoffen auf die neue sozialdemokratische Mehrheit im Parlament. Jeder weiß, dass die Roma in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien diskriminiert und verfolgt werden. Das Recht auf Bildung, Arbeit und annehmbare Wohnung existiert für sie faktisch nicht. Hinzu kommt, dass die in Hamburg geborenen Roma kein Wort serbokroatisch sprechen und in ein für sie völlig fremdes Land kämen. Nehmen wir die Romny Marija Pavloviæ, eine echte Hamborger Deern von 15 Jahren. Sie ist eine sehr gute Schülerin und möchte einmal als Dolmetscherin arbeiten, u.a. für Romanes/Deutsch und so den Roma im Kampf mit der Bürokratie helfen. In Hamburg stünden ihr alle Türen offen, wenn man sie nur ließe, in Serbien hätte sie keine Chance. Auch ihre Familie hat sich an den Petitionsausschuss gewandt. Der Abschiebetermin war für Mitte Mai festgelegt worden. Nun hat ihn die Ausländerbehörde »großzügig« um drei Wochen verlängert. Leider ist der Protest gegen diese Machenschaften zurzeit noch verhalten. Das Mindeste wäre ja wohl, dass die Abschiebung aller Roma so lange ausgesetzt wird, bis der Petitionsausschuss entschieden hat. Hans-Joachim Meyer

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